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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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spielen! Mittlerweile war Gessler sich ziemlich sicher, wen sie suchten. Wenn er auch nicht wusste, warum.
    Mit einem Schnappen schloss sich die Geheimtür. Der Annweiler Stadtvogt begab sich zurück an den Schreibtisch und erledigte leise summend seine Arbeit. Wie leicht ging ihm nun das Rechnen von der Hand, wo er doch wusste, dass er bald genug Geld besitzen würde, um diesem Drecksloch endgültig den Rücken zu kehren.
    Nach einer Weile klopfte es an der Tür. Der Vogt sah verärgert auf und legte die Gänsefeder zur Seite.
    »Ja?«
    Die Tür öffnete sich, und herein trat der Apotheker Konrad Sperlin. Er war seit Jahren schon Gesslers treuer Spitzel. Erst vor ein paar Monaten hatte er dem Vogt von dem Treffen mit dem Schäfer-Jockel im »Grünen Baum« erzählt. Geflissentlich berichtete Sperlin ihm stets von den Unterredungen des Stadtrats, und auch jetzt war er Gessler nützlich.
    Der kleine Mann rieb nervös sein ausgeblichenes Barett in den Händen und machte eine tiefe Verbeugung. »Euer Gnaden«, begann er zögerlich. »Ihr habt recht gehabt. Dieser Mathis ist tatsächlich nach Annweiler gekommen. Zurzeit hält er sich im ›Grünen Baum‹ auf.«
    »So, so, im ›Grünen Baum‹.« Gessler lächelte. Er blies Lösch­sand über die Pergamente und sah zu, wie die kleinen kristallinen Körner zu Boden rieselten. »Er scheint dieses Gasthaus ja wirklich zu lieben. Danke, Sperlin, das ist alles.«
    Bernwart Gessler warf seinem Boten eine Münze zu, die dieser trotz seiner zur Schau getragenen Unbeholfenheit geschickt auffing. Mit einem weiteren Bückling entfernte sich der Apotheker, bevor ihn jemand im Rathaus sehen konnte.
    Gessler verstaute noch schnell die Unterlagen, dann zog er seinen Mantel an, setzte das samtene Barett auf und stieg lächelnd die breiten Stufen der Rathaustreppe hinab. Als er den Befehl gegeben hatte, die Tore für die Landsknechte zu öffnen, hatte er gehofft, dass auch dieser freche Trifelser Waffenschmied zur Feier kommen würde. Und offensichtlich war er wirklich so dumm gewesen, hier aufzutauchen. Der Bursche wähnte sich in Sicherheit, aber Gessler würde ihm zeigen, wer der wahre Herr von Annweiler war.
    Im Erdgeschoss des Rathauses wandte sich der Vogt der Wachkammer zu seiner Linken zu, wo tagaus, tagein drei Büttel ihren Dienst taten.
    »Folgt mir, wir werden …«
    Gessler stutzte, und das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. Die Wachen waren fort, die Kammer leer. Nur ein paar Würfel und zwei leere Bierhumpen standen auf dem Tisch.
    Fluchend trat der Vogt mit der Stiefelspitze gegen das Tischbein, so dass die Würfel klappernd zu Boden fielen. Diese Faulpelze hatten es tatsächlich gewagt, ihren Posten zu verlassen und mit den anderen zu feiern! Nun, denen würde er ordentlich den Marsch blasen. Vermutlich waren sie unten im Wachthaus am Untertor und soffen mit ihren Kameraden. Gessler beschloss, dort vorbeizuschauen und dann mit ein paar gemaßregelten Wachmännern weiter zum »Grünen Baum« zu ziehen, um den jungen Aufrührer endlich in Gewahrsam zu nehmen. Wenn sich ihm tatsächlich die Landsknechte des Grafen in den Weg stellen würden, würde ein scharfer Befehl sie schon zur Räson bringen. Immerhin war er der vom Herzog persönlich eingesetzte Stadtvogt und damit auch dem Herrn Grafen gegenüber weisungsbefugt.
    Bernwart Gessler ließ das Rathaus hinter sich und eilte über den menschenleeren Platz, vorbei am kotbespritzten Pranger in Richtung Mühlbach, von wo auch der Lärm kam. Das Wachthaus lag am Ende der Marktgasse nur unweit eines Stadttors. Mit schnellen Schritten näherte sich Gessler dem Kanal, in dem sich quietschend die Mühlräder drehten. An den Pflöcken im Wasser, rechts und links einer kleinen Brücke, trieben einige mit grünlichem Schimmel überzogene Lederhäute, die über Nacht dort eingeweicht wurden. Selbst jetzt um diese Uhrzeit roch es im Gerberviertel nach Verwesung. Angewidert spuckte der Vogt ins trübe Wasser. Wie er diese Stadt hasste! Es wurde wirklich Zeit, von hier zu verschwinden.
    Einer der Werkstattschuppen zu seiner Linken stand sperrangelweit offen, Gessler konnte die mit Eichenlohe gefüllten Gruben sehen. In den steinernen Becken lagen die Häute bis zu drei Jahre lang in einer braunen ätzenden Flüssigkeit, bis sie endlich weich und geschmeidig waren. Der Gestank der Lohe und der verwesenden Häute darin war so penetrant, dass der Vogt sich die Hand vors Gesicht halten musste.
    Gessler wollte schon weitereilen, als er

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