Die Burg der Könige
grimmig. Plötzlich wusste er, wo er den Vogt beseitigen würde. Ein passendes Grab für ein Schwein, das sein Geld mit dem Wühlen im Dreck verdient hatte.
Er hat seine Haut wahrlich teuer verkauft …
Als der schwarze Mann sein Werk beendet hatte, eilte er dem finstersten, einsamsten Winkel der Stadtmauer zu. Die Mauer hier war an die acht Schritt hoch, doch an ihrer Innenseite gab es genügend vorstehende Kanten, dass ein geschickter Mann hinaufklettern konnte. In Windeseile hangelte sich Caspar empor, tat einen tiefen Atemzug und sprang in den mit trübem kalten Wasser gefüllten Stadtgraben, den er in wenigen Zügen durchschwommen hatte. Nur ein paar aufgescheuchte Enten bemerkten seine Flucht.
Sein Pferd wartete angebunden in einem Waldstück jenseits der Felder. Als Caspar das Tier erreicht hatte, war sein Entschluss gefasst. Er würde seinem Auftraggeber melden, dass die Angelegenheit im Sande verlaufen war. Fast vier Monate hatten er und seine Mitstreiter nun gesucht, Dutzende von Leuten hatten sie befragt, in allen Archiven zwischen hier und Speyer geforscht. Und auch wenn der Annweiler Vogt nun plötzlich mit ein paar angeblichen Informationen sein jämmerliches Leben retten wollte, war sich Caspar trotzdem sicher: Gessler hatte geblufft, des lieben Geldes wegen. Und die Hebamme war ein abergläubisches Weibsbild, das allein die Furcht vor dem Leibhaftigen in den Tod getrieben hatte.
Caspar atmete den muffig-feuchten Geruch des Waldes ein und blickte ein letztes Mal zurück nach Annweiler. Sie jagten nichts weiter nach als einer Hoffnung, einer fernen Erinnerung; den Menschen dahinter gab es nicht. Sollte der andere ruhig weitersuchen, bis er schwarz wurde; Caspars Reise war zu Ende.
Ich habe schon viel zu viel Zeit in dieser öden Wildnis vergeudet.
Mit einem leisen Schrei gab der schwarzhäutige Mann seinem Pferd die Sporen, und gemeinsam galoppierten sie auf die Hügel des Wasgaus zu, hinter denen weit im Osten der Rhein lag.
Es würde ein langer Ritt bis nach Hause werden.
KAPITEL 13
Trifels, 5. Juni, Anno Domini 1524,
nachts
ögernd stand Agnes vor dem Zimmer ihres verwundeten Vaters und wagte nicht einzutreten. Noch immer zitterte sie leicht, wenn sie daran dachte, was ihr Pater Tristan über Erfensteins Erkrankung mitgeteilt hatte.
Das alles sind Erscheinungen, die ich eigentlich nur von einer Vergiftung mit Eisenhut kenne …
Sollte ihr Vater wirklich von Graf Scharfeneck vergiftet worden sein? Aber warum?
Schon zwei Mal war sie seit dem frühen Abend im Zimmer des Burgvogts gewesen, das direkt unter dem Dach des Palas lag. Doch immer hatte er tief geschlafen, das Gesicht wächsern und nass von Schweiß, sein Atem röchelnd und unregelmäßig. Mittlerweile war es späte Nacht.
Mit banger Vorahnung horchte Agnes an der schweren Eichenholztür und vernahm mit Erleichterung ein rasselndes Keuchen. Ihr Vater lebte also noch. Sie klopfte kurz an, dann trat sie ohne Aufforderung ins Zimmer.
Der einst so stolze Burgvogt Philipp Schlüchterer von Erfenstein lag zitternd unter einem Haufen Decken und Bärenfelle, unter dem sein massiger Körper fast nicht zu sehen war. Nur sein bärtiges Haupt ragte daraus hervor, geradezu winzig. Das Haar klebte ihm auf der Stirn, die Augen irrten wirr umher wie bei einem aufgescheuchten Wild. Erst als er Agnes erkannte, wurde Erfenstein ein wenig ruhiger.
»Ah, meine Tochter«, sagte er mit brüchiger Stimme und wandte ihr ächzend das Gesicht zu. Das Sprechen bereitete ihm sichtlich Mühe, immer wieder musste er schlucken, als liege ein Bissen quer in seiner Kehle. »Ich … ich habe schon auf dich gewartet. Komm … näher, bevor es … es zu spät ist.«
»Vater, was redest du da?«, begann Agnes und trat mit einem müden Lächeln auf ihn zu. Aus dem Augenwinkel sah sie auf einem Beistelltisch eine Schüssel Wasser und einen unberührten Krug Gewürzwein, vermischt mit Johanniskraut und Weidenrindenextrakt, den Pater Tristan vor ein paar Stunden erst bereitet hatte. »Du ruhst dich jetzt ein wenig aus, und dann werden wir …«
Philipp von Erfenstein packte ihre Hand und zog sie ganz nah an sich heran, so dass Agnes seinen fauligen Atem riechen konnte. Ihr Vater verströmte den Muff von bitterem, altem Schweiß, Eiter und getrocknetem Blut.
Der Odem des Todes , dachte Agnes.
»Ich habe dich nicht kommen lassen, damit du mir Honig ums Maul schmierst, Kind«, knurrte er. Einen Moment lang klang seine Stimme wieder wie früher. »Ich weiß selbst,
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