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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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nahe der Brücke eine Reihe hölzerner Stangen bemerkte, an denen Häute zum Trocknen hingen. Von weitem wirkten die Gerüste wie räudige Vogelscheuchen, die mit ihren Armen zu winken schienen. Fette Schmeißfliegen umschwirrten sie summend, das Leder wehte flatternd im Wind. Verwundert hielt der Vogt in seinem Gang inne.
    Welcher Wind?
    Plötzlich schien sich eine der Häute aufzuplustern, mit einem flappenden Geräusch schlug der Lederlappen wie ein Vorhang zur Seite, und dahinter tauchte eine schwarze Gestalt auf.
    »Verzeiht die späte Störung, Meister Gessler«, sagte Caspar, »aber ich kann Euch beruhigen. Es ist das letzte Mal, dass ich Euch einen Besuch abstatten werde.«
    In seiner rechten Hand hielt der schwarzhäutige Mann eines jener merkwürdigen kleinen Eisenrohre, die er dem Vogt bereits bei einem seiner früheren Besuche gezeigt hatte. Die Mündung war direkt auf Gessler gerichtet.
    »Ich fürchte, ich verliere die Geduld mit Euch, Herr Vogt«, fuhr Caspar fort. »Ich kann es nun mal nicht leiden, wenn man mich zum Narren hält. Und meine Ohren reichen weit, sehr weit. Hatte ich Euch nicht verboten, mit anderen über die Sache zu reden?«
    »Ich … ich weiß wirklich nicht, was Ihr meint«, stotterte Gessler. Im gleichen Augenblick ärgerte er sich, weil er so unsicher und ängstlich klang. Angst war der Tod jeder Verhandlung.
    »Ihr seid erbärmlich, Vogt. Annweiler hat wirklich einen würdigeren Herrscher verdient.«
    Zum ersten Mal in seinem Leben hatte Bernwart Gessler das Gefühl, ein Spiel zu weit getrieben zu haben. Panisch sah er sich um, doch nirgendwo war jemand, der ihm hätte helfen können. Nur von fern wehten Musik und Gelächter zu ihm herüber.
    »Ich … ich habe gute Neuigkeiten für Euch«, krächzte er, während er langsam einige Schritte zurückwich. »Ich habe wirklich etwas im Archiv gefunden!«
    »Und wie viel hat die andere Seite dafür bezahlt, um an diese Information zu gelangen?«, fragte Caspar und zog einen winzigen Schlüssel hervor, mit dem er das Uhrwerk der Waffe langsam aufzog.
    Gessler zuckte zusammen. »Ich schwöre bei allen Heiligen, ich habe noch keiner Menschenseele davon erzählt!«, stammelte er. »Glaubt mir, Ihr seid der Erste! Ich … ich habe die Person gefunden, die Ihr sucht. Wirklich!« Er wich noch ein Stück zurück, bis er hinter sich plötzlich Widerstand spürte. Es waren weitere Gerüste, an denen Lederhäute hingen. Sie waren schmierig und schleimig und schmiegten sich wie eine zweite Haut an seinen teuren Mantel.
    Caspar steckte den Schlüssel wieder ein und schob den Hahn über die Glutpfanne. Die Waffe war jetzt geladen.
    »Ich habe diese Elsbeth Rechsteiner aufgespürt, von der Ihr mir erzählt habt«, sagte er drohend. »Euer Ratschlag war durchaus vernünftig, als Hebamme hätte sie den Namen wissen können. Aber aus irgendeinem Grund zog die gute alte Elsbeth einen Sprung in den Rhein einem harmlosen Gespräch mit mir vor.« Er musterte den Vogt scharf. »Sagt, war­um hat sie das getan? Was in drei Teufels Namen wusste sie, dass sie lieber starb, als sich mit mir zu unterhalten?« Caspar trat einen weiteren Schritt auf Gessler zu. »Was geht in Eurem kleinen Dreckskaff vor, Herr Vogt?«
    »Ich schwöre, ich … ich weiß es nicht! Aber das ist doch jetzt auch nicht so wichtig.« Gessler versuchte ein Lächeln. Das Zögern des Fremden zeigte ihm, dass er wieder ins Spiel kam. »Wichtig ist nur, dass ich genau die Information habe, um die Ihr mich gebeten habt. Also nehmt dieses Höllenrohr endlich herunter, gebt mir mein Geld, und ich sage Euch, was ich weiß.«
    Caspar schüttelte grimmig den Kopf. »Tut mir leid, aber Euer Lohn hat sich gerade geändert. Spuckt den Namen aus, und ich lasse Euch am Leben. Vielleicht«, fügte er nach einer Pause hinzu.
    Gessler biss sich auf die Lippen. Es sah wirklich danach aus, als müsste er sein wertvolles Wissen ganz umsonst herausrücken. Nun, es gab immer noch den anderen Mann, dem dieses Wissen Gold wert war. Aber jetzt galt es erst einmal, sein Leben zu retten.
    »Also gut«, begann er zögerlich. »Die Person, die Ihr sucht, ist …«
    In diesem Augenblick ertönten Singen und lautes Gelächter von jenseits der Brücke. Eine Gruppe betrunkener Landsknechte näherte sich vom Wachthaus her. In Gesslers Augen trat ein Hoffnungsschimmer. Vielleicht konnte er das Spiel doch noch gewinnen! Geschmeidig wie eine Katze drehte er sich um und schlüpfte unter den Häuten durch, der rettenden Brücke

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