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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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wie es um mich steht. Dieses Wundfieber frisst mich von innen her auf. Ich hätte nur nicht gedacht, dass es so schnell geht.«
    Agnes nickte schweigend, Tränen rollten ihr über die Wangen und tropften auf das blasse Gesicht ihres Vaters. Pater Tristan hatte dem Trifelser Burgvogt offenbar nichts von seinem Verdacht erzählt. Vermutlich wollte er Erfenstein nicht noch weiter aufregen, außerdem hätte es ohnehin nichts an seinem Zustand geändert.
    Der alte Ritter schloss die Augen, als müsste er neue Kraft sammeln. Erst dann fuhr er müde fort: »Dieser verfluchte Wertingen! War doch kein so schlechter Kämpfer, wie ich dachte. Nun, ich habe gelebt wie ein Krieger, und jetzt werde ich eben auch sterben wie einer. Kein Grund zu trauern.«
    »Vater, du wirst nicht …«
    »Sei endlich still und hör mir zu, vorlautes Weibsbild!«, unterbrach er sie harsch. »Es gibt da etwas, was ich mit dir besprechen muss. Eigentlich wollte ich es dir ja bei einem guten Becher Wein unten im Rittersaal verkünden, bei Musik und Kerzenschein, aber nun muss es eben so gehen.« Er machte eine kurze Pause. »Der … der Graf und du, ihr werdet heiraten.«
    Agnes glaubte einen Moment lang, sie habe sich verhört. Vielleicht redete ihr Vater ja auch im Fieberwahn? Sie ließ seine zitternde Hand los und starrte ihn an.
    »Was hast du eben gesagt?«
    »Ihr zwei werdet heiraten. Ist denn das so schwer zu verstehen?« Erfenstein reckte nun seinen schweren Leib zwischen den Decken und Pelzen empor und sah sie zum ersten Mal di­rekt an. »Lange habe ich für dich nach einem geeigneten Mann Ausschau gehalten. Dass der Graf nun um deine Hand anhält, ist ein Geschenk Gottes! Die Familie der Löwenstein-Scharfen­ecks ist eine der mächtigsten in der Pfalz, sie ist verwandt mit dem Kurfürsten. Das Haus Erfenstein wird nicht untergehen, es wird aufgehen in einer blühenden Dynastie, es wird …«
    »Vater, ich kann den Grafen nicht heiraten!«, schrie Agnes. »Der Graf … er … er hat …«
    »Du wirst tun, was ich dir sage!«, schnaufte Erfenstein, dessen Gesicht nun puterrot angelaufen war. »Willst du deinem Vater etwa seinen letzten Willen abschlagen? Willst du das? Glaub mir, später einmal wirst du diese Entscheidung verstehen. Eine Vogtstochter, die zur Gräfin aufsteigt! Du wirst in Samt und Seide gehen, all diese verfluchten Verwalter, Stadtvögte und städtischen Sesselpuper werden sich vor dir verneigen müssen. Unser Geschlecht wird endlich den Platz in den Büchern einnehmen, den es verdient!«
    Agnes beschloss, ihren Vater nicht weiter aufzuregen. Seine Arme waren bereits so kalt wie Eis. Eine ganze Weile schwieg sie, nur der rasselnde Atem Erfensteins war im Zimmer zu hören. Die Welt schien stillzustehen.
    »Warum sollte Friedrich von Scharfeneck mich heiraten wollen?«, fragte sie schließlich in die Stille hinein. »Er ist ­eitel, ehrgeizig, und er liebt mich nicht. Das ergibt doch alles keinen Sinn!«
    Ihr Vater hatte sich wieder ein wenig beruhigt. Ein schmales Lächeln breitete sich über seinem Gesicht aus. »Meinst du, darüber hätte ich mir keine Gedanken gemacht? Ich weiß selbst, dass er ein eitler Geck ist. Der Graf will nicht dich, er will den Trifels! Er ist ganz vernarrt in diese Burg. Ich glaube, deshalb ist er überhaupt in Scharfenberg eingezogen. Er … er will den Geheimnissen dieser Gegend auf den Grund gehen, und wenn er dich heiratet, stehen ihm hier alle Türen offen.«
    »Welche Geheimnisse?«, fragte Agnes verwundert. Sie spürte, wie ein leiser Schauder über ihren Nacken kroch. Plötzlich musste sie an ihr letztes Gespräch mit Melchior von Tanningen denken. Auch er hatte behauptet, dass der Graf ganz vernarrt in den Trifels sei. In den Trifels und vor allem in dessen Vergangenheit.
    »Wie du weißt, habe ich den Trifels vom Kaiser damals als Lehen bekommen, für meine Verdienste im Krieg«, begann Erfenstein nun zögerlich. »Ein gutes Stück Land. Doch deine Mutter und ich, wir haben uns nie sonderlich für die alten Geschichten interessiert, die wie Geister durch diese Burg spuken. Im Gegensatz zu dir.« Er lachte leise. »Du … du warst immer anders als wir. Dein ständiges Lesen, der Durst nach den Sagen und Legenden aus alten Zeiten … Sicher weißt du mittlerweile selbst, welche Geheimnisse der Trifels in sich birgt. Geheimnisse, deren Ursprung weit in der Vergangenheit liegt.«
    Agnes’ Herz schlug schneller. Wusste ihr Vater vielleicht mehr über den Inhalt ihrer seltsamen Träume?

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