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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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lohnte noch einmal aufzusuchen. In den letzten Monaten hatte Caspar immer wieder an den Tod des Annweiler Stadtvogts denken müssen, vor allem an dessen spätes Geständnis.
    Ich habe wirklich etwas im Archiv gefunden …
    Caspar war mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass die verräterische Ratte möglicherweise doch irgendetwas gewusst hatte. Vielleicht befand sich tatsächlich etwas im Annweiler Archiv; etwas, das ihm endlich den einen Namen verriet, den sein Auftraggeber so dringlich suchte.
    Zufrieden nickend nahm er das zerkratzte Glas und trank es in einem Zug leer. Dann wischte er sich über den Mund und schritt zur Tür hinaus, während er die Münzen in seinem Beutel zählte. Er würde sich das schnellste Pferd besorgen, das er auftreiben konnte, und diesen Auftrag endlich hinter sich bringen. Je eher er in diesem verfluchten, gottverlassenen deutschen Wald war, umso schneller war er zurück in jenen sonnigen Ländern, wo man zu leben wusste.
    Caspar lächelte. Und dann würde er in Wein baden.
    In sehr, sehr teurem Wein.
    ***
    Viele Meilen entfernt kauerten Agnes, Mathis und Ulrich Reichhart im Dunkel einer Höhle, während weit entfernt die Rufe ihrer Verfolger durch den Wald hallten und schließlich ganz verstummten.
    Agnes hatte den Unterschlupf, der sich auf halbem Weg zwischen Eußerthal und dem Trifels befand, schon vor Jahren auf einem Jagdausflug entdeckt. Es war eine verlassene Bärenhöhle am Fuße eines Sandsteinmassivs, die sie als gelegentliche Zuflucht nutzte, wenn ein plötzliches Unwetter aufzog. Den Eingang hatte sie noch im Herbst vorsorglich mit Steinen gegen wilde Tiere versperrt, drinnen gab es einige trockene Felle, Dörrobst und sogar eine Feuerstelle mit einem natürlichen Abzug, die die drei aber aus Angst vor einer möglichen Entdeckung nicht nutzten. Die Wände waren teilweise mit Eis überzogen, hier unten herrschte nach wie vor tiefster Winter. Es roch modrig nach altem Laub, Schimmel und Verwesung.
    »Ich glaube, sie haben aufgegeben«, sagte Mathis müde und wickelte sich in ein löchriges Wildschweinfell. »So oder so, lange halte ich es hier ohnehin nicht mehr aus. Ich bin kurz vorm Erfrieren.«
    »Ich würde sagen, wir warten noch eine Viertelstunde, dann wagen wir uns wieder hinaus«, schlug Ulrich Reichhart vor.
    »Und wohin dann?« Mathis lachte verzweifelt. »Wir sind vogelfrei. Hast du das vergessen, Ulrich? Und ab heute suchen uns nicht nur die Schergen des Herzogs, sondern auch noch unsere eigenen Männer.« Er sah hinüber zu Agnes, in seinen Augen lag eine Mischung aus Spott und Wehmut. »Nun, wenigstens du hast einen Platz, wo du hingehen kannst.«
    »Und wenn ich dort gar nicht mehr hingehen will?«
    Agnes funkelte Mathis zornig an. Bislang hatte sie geschwiegen und ihren eigenen Gedanken nachgehangen. Jetzt brach es aus ihr heraus. »Hast du dir jemals überlegt, was es bedeutet, die Frau eines kaltblütigen Mörders und ­Tyrannen zu sein?«, brauste sie auf. »Eines Mannes, der vermutlich meinen Vater auf dem Gewissen hat? Gefangen in einem goldenen Käfig, grau und verbittert, verurteilt zu einem Leben als stille Dulderin? Hast du daran mal gedacht?«
    »Nun, wenigstens muss du keinen Hunger leiden, wie so viele andere in diesen Zeiten«, warf Mathis achselzuckend ein. »Und ein warmes Feuer brennt auf Scharfenberg auch immer.«
    »Ein warmes Feuer, ja. Während mein Herz langsam erkaltet.«
    Schweigend starrte Agnes auf die Eiszapfen, die vorne am Höhleneingang von der Decke hingen. Die Trauer über ihren verstorbenen Beichtvater lastete schwer wie ein Fels auf ihr. Es schien, als würde ein eisiger Panzer ihr Herz überziehen.
    Zum wiederholten Mal zog sie Pater Tristans Brief hervor, den ihr Mathis gegeben hatte. Im Dämmerlicht überflog sie blinzelnd die wenigen Zeilen.
    Du hast mich oft gefragt, was deine Träume bedeuten, und ich habe dir gesagt, sie seien nur die Ausgeburt deiner Phantasie … Doch nun glaube ich, dass du ein Recht hast, mehr über deine Vergangenheit zu erfahren …
    Fröstelnd lehnte Agnes sich an die kühle Felswand hinter ihr. In der letzten Stunde seit ihrer Flucht war langsam ein Entschluss in ihr gereift. Es war, als hätte der Brief ihres Beichtvaters etwas ausgelöst, was schon lange in ihr geschlummert hatte. Mit einem Mal war ihr bewusst geworden, dass sie in den letzten Wochen und Monate nur ein Schatten ihrer selbst gewesen war. Sie lebte mit einem Mann zusammen, der ihr Geschlecht in den Ruin getrieben, vermutlich

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