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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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ihr auch, warum ich Beinlinge einem Kleid vorziehe«, erklärte sie den beiden Männern, die sie abwartend vom Grabenrand aus beobachteten. »Mit einem flatternden Rock wäre ich hier schon ein Dutzend Mal auf die Nase gefallen.« Sie gab ihnen ein Zeichen, stehen zu bleiben. »Ihr bleibt hier. Es wird nicht lange dauern, versprochen.«
    »Und wenn der Jockel mit seinen Männern auftaucht?«, zischte Mathis.
    »Ach was, wenn die Bauern uns wirklich gefolgt wären, hätten sie doch schon längst zugeschlagen. Vertraut mir.«
    Agnes kletterte den Hang hoch und näherte sich der Felswand, die über und über mit Efeu behangen war. An einer bestimmten Stelle schob sie die krautigen Pflanzen zur Seite, und dahinter kam eine kleine rostige Eisentür zum Vorschein. Einst hatten die belagerten Burgmänner von hier aus Ausfälle gewagt, nun war die Pforte nur noch wenigen Eingeweihten bekannt. Friedrich hatte ihr in einer seiner charmanteren Stunden davon erzählt, den Schlüssel hatte Agnes ihm dann gestohlen und später vom Annweiler Schmied einen Zweitschlüssel anfertigen lassen. Bislang hatte ihr Gemahl nichts davon bemerkt.
    Mit einem Quietschen öffnete sich die Tür, und feuchte, modrige Luft strömte daraus hervor. Agnes betrat den dunklen Gang und tastete sich vorwärts. Mittlerweile war sie so oft hier entlanggegangen, dass sie sich selbst mit geschlossenen Augen zurechtfand.
    Der in den Fels gehauene Tunnel endete schon nach etwa zwanzig Schritt an einer Falltür in der Decke. Agnes öffnete die Luke, stemmte sich hoch und sah sich vorsichtig um. Die Öffnung befand sich in einer schlecht einsehbaren Ecke der Unterburg, direkt unterhalb des Wehrgangs. Jetzt, kurz nach Sonnenuntergang, lag der Hof dunkel und verlassen vor ihr. Einige Hühner pickten gackernd ihre Körner, von fern tönte das Gelächter einiger Wachmänner zu ihr herüber.
    Agnes schlüpfte durch das schmale Loch und eilte hinauf zur Oberburg, die durch eine weitere verriegelte Pforte im Fels zu erreichen war. Ein Büttel tat dort gelangweilt seinen Dienst. Als er Agnes erkannte, nahm er Haltung an. Im Zwielicht schien er ihr zerrissenes nasses Hemd nicht wahrzu­nehmen.
    »Frau Gräfin«, schnarrte er. »Was ist Euer …«
    Agnes winkte ab. »Ist mein Gemahl schon wieder zurück?«, wollte sie wissen.
    Der Wachmann schüttelte den Kopf. »Leider nein, Herrin. Wir erwarten ihn jedoch jeden Augenblick. Eigentlich wollte er noch vor Einbruch der Nacht zurückkommen.«
    »Äh, gut. Sag ihm nicht, dass ich bereits hier bin.« Agnes setzte ihr süßestes Lächeln auf. »Ich möchte ihn in seiner Kammer überraschen.«
    Mit dienstbeflissener Miene ließ sie der Büttel passieren, und Agnes lief die Stufen hinauf in den Wohnbau neben dem hohen Bergfried. Während sie durch die zugigen Gewölbeflure hastete, sah sie aus den Augenwinkeln noch einmal die kostbaren Gobelins, die sechzehnendigen Hirschgeweihe, die dichtgewebten Teppiche und farbenprächtigen Malereien an den Wänden der Burg. Friedrich hatte ihr einen goldenen Käfig gebaut. Es wurde höchste Zeit, daraus auszubrechen.
    Zunächst suchte sie ihre Kemenate im zweiten Stock auf. Auch hier hingen Teppiche an den Wänden, die von alten Schlachten kündeten. Einer zeigte den Trifels auf der Höhe seiner Macht. In der Ecke des Raums bullerte ein kleiner Kachelofen, den die Mägde bereits für die Nacht eingeschürt hatten.
    Agnes griff unter ihr Bett und zog die Truhe mit ihren Habseligkeiten hervor, in der sich auch das wertvolle Falknerbuch Friedrichs des Staufers befand, das ihr Pater Tristan einst geschenkt hatte. Andächtig strich sie über das fein gegerbte Leder des Einbands. Wie viele andere Schätze würde sie das Buch zurücklassen müssen.
    Alles, nur den Ring nicht.
    Sie entnahm der Truhe die kleine Schatulle, in der sich seit einigen Monaten der Ring befand. Als sie ihn schließlich an einer silbernen Kette um ihren Hals legte, fühlte er sich auf ihrer Haut kalt und gleichzeitig warm an. Ein merkwürdiges Schaudern überkam sie. Es war, als wäre ein Mosaikstein wieder an seine ursprüngliche Stelle gesetzt worden.
    Was macht dieser Ring mit mir?
    Zum letzten Mal sah sie sich in ihrer prächtig eingerichteten Kemenate um, dann eilte sie den Gang entlang bis zum äußersten Ende, wo sich die Kammer ihres Gemahls befand. Wie erwartet war sie verschlossen, doch Agnes hatte in weiser Voraussicht auch hierfür einen Zweitschlüssel anfertigen lassen. Geschwind schloss sie auf und trat

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