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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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wenn es nur ein kleiner Ring ist.«
    Eine gute Stunde später stapften die drei Fliehenden den steilen rutschigen Hang hoch, der zum Sonnenberg mit seinen drei Burgen führte. Nach anfänglichem Zögern hatten sich Mathis und Ulrich Reichhart bereit erklärt, Agnes noch einmal in die Höhle des Löwen zu folgen. Trotzdem war es vor allem Reichhart ein Rätsel, warum sie sich nur wegen eines winzigen Kleinods der Gefahr aussetzten, von den gräflichen Wachen entdeckt zu werden. Doch Agnes hatte darauf bestanden, den wertvollen Siegelring aus der Zeit Barbarossas mitzunehmen. Ohne ihn konnte sie unmöglich nach Sankt Goar aufbrechen. Mit ihm hatte alles begonnen, sie konnte ihn nicht zurücklassen. Außerdem hatte ihn Pater Tristan am Ende noch einmal erwähnt. Er musste also wichtig sein.
    Seit ihrer Hochzeit mit Friedrich von Scharfeneck lag der Ring wohlverwahrt in Agnes’ Kemenate, in einer Schatulle unter dem Bett. Dies und auch die Aussicht auf trockene Kleider und ein wenig Geld bewegten Agnes, ein letztes Mal nach Burg Scharfenberg zurückzukehren.
    Grübelnd tappte die Vogtstochter durch den schattigen Wald, wobei sie immer wieder an vereisten Ästen und Zweigen hängenblieb. Was hatte Pater Tristan nur mit seinen letzten Worten gemeint? Was verband sie mit dem Ring und mit einer Frau namens Constanza, die dreihundert Jahre vor ihr gelebt hatte? Und was verbarg sich hinter all den Träumen, die sie schon so lange quälten? Die Antwort auf all diese Fragen schien in Sankt Goar zu liegen. Was nach Sankt Goar geschehen würde, lag jenseits von Agnes’ Vorstellung. Sie wusste nur, dass sie das Geheimnis aufklären musste.
    Mittlerweile hatte die Dämmerung eingesetzt. Im Schatten der Bäume hielten sich hartnäckig Schneereste, und der Boden war feucht, so dass sie nur mühsam vorankamen. Jeder einzelne Schritt kostete Kraft, doch sie hatten sich entschieden, die bekannten Wege zu meiden. Zu groß war die Gefahr, auf mögliche Verfolger zu treffen. An einigen Stellen hatten sie versucht, ihre Spuren zu verwischen, waren durch eisige Bäche gewatet oder hatten Äste hinter sich hergeschleift, doch das Ergebnis war alles andere als zufriedenstellend. Mehr als einmal glaubte Agnes, Jockel und seine Bande dicht hinter sich zu hören, aber es war immer nur ein verschrecktes Reh oder ein anderes Tier.
    In manchen Momenten ging Agnes wie in Trance. Die Trauer um ihren verstorbenen Beichtvater lastete schwer wie ein Fels auf ihr; allein die Kälte und die Gefahr, entdeckt zu werden, hielten sie davon ab, immer wieder in Tränen aus­zubrechen. Gleichzeitig fühlte sie in sich eine Stärke, die ihr neu war. Es schien, als würde sie aus ihrer Trauer neue Kraft schöpfen.
    Ich werde wohl langsam erwachsen , dachte sie bitter.
    Zwischen den Wipfeln der Bäume tauchte nun endlich im Abendlicht der Trifels auf. Wie ein gewaltiges, dunkles Schiff thronte er auf dem Felsmassiv, stolz und uneinnehmbar. Sie umrundeten ihn in einem weiten Bogen, und Agnes musste an all die schönen Erinnerungen denken, die sie mit der Burg verbanden. Der düstere Bau war ihre Heimat gewesen. Würde sie jemals dorthin zurückkehren?
    »Wie willst du überhaupt in die Burg hineinkommen?«, unterbrach Mathis ihre schwermütigen Gedanken, während sie sich über einen schmalen Pfad der benachbarten Burg Scharfenberg näherten. »Du kannst ja wohl nicht vorne anklopfen und deinen Gemahl fragen, ob er dir den Ring und einen warmen Mantel gibt!« Er deutete auf ihr zerrissenes nasses Hemd und die Wunde an ihrer Stirn, die noch von ihrer Gefangennahme herrührte. »Wenn der Graf dich so sieht, wird er Fragen stellen und dich vielleicht nicht mehr gehen lassen.«
    »Dummkopf! Ich kenne die Burg mittlerweile ziemlich gut. Es gibt eine kleine versteckte Tür, zu der ich den Schlüssel habe.« Agnes zwinkerte ihm zu. »Schließlich will ich mir von meinem lieben Ehemann nicht vorschreiben lassen, wann ich im Bett zu sein habe. Du wirst sehen, alles wird gut.«
    Die letzte Viertelmeile hinauf zur Burg war am anstrengendsten. Sie pirschten sich über die Nordseite an, die am steilsten war. Hier befand sich keine äußere Ringmauer, sondern nur eine senkrechte Felswand, die durch einen davor verlaufenden Graben noch vertieft worden war. Früher mochte darin Wasser geflossen sein, doch jetzt war der Burggraben nur noch eine matschige Grube. Agnes ließ sich an einer Wurzel hinab und balancierte über ein paar Findlinge hinüber zur anderen Seite.
    »Jetzt wisst

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