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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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war es dunkle Nacht geworden. Doch der Mond leuchtete so hell, dass sie den Weg ohne Schwierigkeiten fanden.
    Nach längerer Überlegung hatten sie beschlossen, so schnell wie möglich das Herrschaftsgebiet der Löwenstein-Scharfenecks zu verlassen. Agnes machte sich nichts vor. Mittlerweile war ihr Gemahl sicherlich heimgekehrt. Wenn er seine Frau und den Barden nicht auf der Burg antraf, würde er misstrauisch werden, und die fehlenden Kleidungsstücke und das gestohlene Geld brachten ihn dann schnell auf die richtige Fährte. Es galt also, schnell zu handeln.
    Mathis und Ulrich Reichhart gingen auf dem ausgetretenen Treidelpfad voraus, wobei der alte Geschützmeister seine Hand am Schwertknauf hielt und sich immer wieder vorsichtig umsah. Mathis hatte sich derweil einen Knüppel geschnitzt, mit dem er wie ein kleiner Bub lustlos durch die Luft drosch. Agnes konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Seitdem sie Mathis erklärt hatte, dass Melchior von Tanningen ihr Begleiter sein würde, hatte er hauptsächlich geschwiegen, von einigen knappen gebrummten Kommentaren abgesehen. Es hatte fast den Anschein, als wäre er eifersüchtig.
    »Und die Träume kommen wirklich erst, seitdem Ihr diesen Ring besitzt?«, wollte der Barde neben ihr soeben wissen. Agnes hatte beschlossen, Melchior von ihren Träumen, dem Ring, aber auch von dem mysteriösen herausgerissenen Kapitel in der Trifelser Chronik zu erzählen. Seitdem war der Sänger Feuer und Flamme. Es schien, als hätte er nun endlich die eine dramatische Geschichte gefunden, nach der er so lange gesucht hatte. Mit glänzenden Augen hatte er den Ring an Agnes’ Halskette berührt und etwas über einen neuen Heiligen Gral gemurmelt.
    Doch leider konnte auch Melchior weder mit dem Namen Johann von Braunschweig noch mit dessen seltsamer Gemahlin Constanza etwas anfangen. Dafür schien er tatsächlich das Chorherrenstift Sankt Goar am Rhein zu kennen. Auf einer seiner früheren Reisen war er offenbar ganz in dessen Nähe gewesen. Schon allein deshalb war es die richtige Entscheidung, den Barden mitzunehmen.
    »Die Träume kamen nur, solange ich auf dem Trifels war«, erwiderte Agnes schließlich nach einigem Nachdenken. »Dann waren sie plötzlich fort. Fast so, als ob die Burg selbst sie mir geschickt hätte.« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist natürlich Unsinn. Vermutlich liegt es nur daran, dass der Trifels meine Phantasie beflügelt. Das meinte früher auch immer Pater Tristan. Aber trotzdem ist es merkwürdig. Alles, was Johann und Constanza erlebten, fand auf dem Trifels statt. Ihr Kennenlernen bei Johanns Schwertleite, die Hochzeit, die ersten Sorgen wegen des Rings, das geplante Attentat, die Flucht mit dem Kind … Was danach geschah, kann ich nicht sehen.«
    »In der Chronik stand, dass der Welfe Johann von Braunschweig eine Verschwörung gegen die Habsburger anführte und bei der anschließenden Flucht ums Leben kam«, warf Melchior ein. »Vielleicht ist ja auch Constanza von den Häschern des Königs erschlagen worden.«
    Agnes zuckte mit den Schultern. »Was in der Chronik wirklich stand, wissen wir nicht. Pater Tristan hat die Seiten herausgerissen. Aber warum nur? Was stand dort, das keiner lesen durfte?«
    »Eben ein Geheimnis, das wir in dem fernen Kloster am Rhein ergründen werden. Ach, ich liebe Geheimnisse! Sie sind der Grundstoff jeder Ballade.« Melchior zückte seine Laute und schlug ein paar Akkorde an. Dazu sang er mit leiser hoher Stimme, wobei er manchmal kurz zögerte, wenn er nach den passenden Worten suchte.
    Einst zog ein stolzes Burgfräulein,
    mit tapfrer Männerschar zum Rhein
    Ein Kloster sucht sie, zu erfahren,
    was einst geschah vor vielen Jahren
    Dort auf dem Trifels, wo ein Paar
    bis auf den Tod vereinet war
    Ein Ring war’s, den das Fräulein fand,
    von, ach!, Constanzas bleicher Hand
    Der Ring bracht’ manchen bösen Traum …
    Summend suchte Melchior nach der nächsten Zeile, und Agnes sah ihn verwundert an.
    »Ist das von Euch?«
    Der Barde zuckte mit den Schultern. »Nun ja, es bedarf wohl noch des Feilens und Glättens, aber für den Anfang …« Er lächelte. »Gefällt es Euch denn? Ich habe Euch doch von dem Sängerfest auf der Wartburg erzählt. Ich glaube, nun weiß ich endlich, welche Ballade ich dort singen möchte!« Theatralisch zupfte er ein paar Saiten. »Dieses Lied wird die Welt im Sturm erobern!«
    »Vor allem wird es uns schon bald das Leben kosten«, fuhr Mathis dazwischen. »Wenn Ihr so

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