Die Burg der Könige
weitersingt, können wir auch gleich laut darum bitten, überfallen zu werden. Vielleicht hat der Herr Barde es ja vergessen, aber uns verfolgen etwa hundert Bauern und ein vermutlich sehr zorniger Graf.«
»Verzeiht, Ihr habt recht.« Melchior schulterte die Laute wieder und seufzte tief. »Bei guten Geschichten kann ich nun mal nicht an mich halten. Vor allem, wenn es um Liebe und Tod geht.«
»Letzteren könnt Ihr vielleicht bald besser kennenlernen, als Euch lieb ist«, bemerkte Mathis. »Wir wollen nur hoffen, dass der Graf noch nicht seine berittenen Landsknechte ausgeschickt hat. Zu Pferde werden sie uns schon bald eingeholt haben.«
»Ich wüsste vielleicht eine Möglichkeit«, meldete sich nun Ulrich Reichhart und drehte sich zu den anderen um. »Auf Schusters Rappen sind wir wirklich zu langsam. Aber mit einem Boot wäre das schon etwas anderes. Die Queich wird bald hinter Albersweiler schnell und reißend, vor allem jetzt um diese Jahreszeit. So wären wir im Handumdrehen unten am Rhein.«
»Wunderbar«, brummte Mathis. »Und wo sollen wir mitten in der Nacht ein Boot auftreiben?«
Reichhart grinste. »Mit genügend Geld kannst du, wenn’s sein muss, im Wasgau sogar eine Galeere kaufen. Kurz vor Albersweiler ist doch dieser alte Steinbruch. Da gibt es auch einen kleinen Hafen mit Taverne. Wir trommeln den Wirt aus den Federn und kaufen uns den schnellsten Kahn, den wir kriegen können.« Er sah hinauf zum sternenklaren Himmel. »Es ist beinahe Vollmond, da können wir auch nachts fahren. Was meint ihr?«
»Ein guter Einfall!« Agnes klatschte in die Hände. »Bei Sonnenaufgang könnten wir schon am Rhein sein! Und vielleicht hat der Wirt ja auch einen Schluck heißen Gewürzwein für uns übrig.« Fröstelnd zog sie den warmen Filzmantel ihres Gemahls um die Schultern. Mit den Beinlingen und einem weiten Schlapphut, unter den sie ihre schwer zu bändigenden Haare gestopft hatte, sah sie aus wie ein junger Bursche auf Wanderschaft, wenn auch der Mantel dafür ein wenig zu kostbar wirkte.
»Dann lasst uns diesen Teil des Waldes endlich hinter uns bringen«, knurrte Mathis. »Bevor der Barde wieder zu singen anfängt.«
Ulrich Reichharts Vorschlag und die Aussicht auf einen Schluck Wein ließen sie alle vier schneller voranschreiten. Der Treidelpfad verlief immer entlang der Queich. Schon kurz darauf passierten sie einen Grenzstein, der ihnen anzeigte, dass sie nun die Grafschaft der Löwenstein-Scharfenecks endgültig hinter sich gelassen hatten.
Agnes verspürte eine merkwürdige Erleichterung, beinahe so, als hätte sie einen magischen Bannkreis verlassen. Sie schüttelte sich kurz, dann ging sie weiter. Einmal glaubte sie zwischen den Zweigen eine huschende Bewegung auszumachen, vermutlich ein größeres Tier, dann herrschte wieder eine tiefe Stille, die nur von Melchiors monotonem Summen gestört wurde.
Endlich tauchten zu ihrer Linken die Gruben des Albersweiler Steinbruchs auf. Eine breite Straße führte von dort zum Hafen, von dem aus die Steine in die Rheinebene transportiert wurden. Hinter den Butzenglasscheiben der Hafentaverne flackerten noch Lichter, Rauch kräuselte aus dem Kamin, offensichtlich war tatsächlich noch jemand wach.
»Mmmhhh, ich rieche Wildschweinbraten. Ihr auch?«, brummte Ulrich Reichhart. »Vielleicht nehmen wir uns ja ein paar Scheiben mit? Und dazu feines Weißbrot und ein Fässchen Bier.«
Er öffnete die Tür und hob die Hand zum Gruß. Tatsächlich befanden sich trotz der späten Stunde noch ein paar Gäste in der Stube. Der Wirt stand hinter dem Tresen und putzte gelangweilt mit einem Messer seine Fingernägel. Als die Neuankömmlinge den Raum betraten, blickte er kurz auf.
»So spät noch unterwegs?«, fragte der Mann mit einem schmalen Lächeln. »Ich fürchte, wir haben kein Bett mehr frei.«
»Danke, aber wir brauchen keinen Schlafplatz«, entgegnete Mathis. »Wir suchen nur ein Boot, das wir kaufen können.«
»Ein Becher heißer Honigwein und ein paar Scheiben Braten wären auch nicht schlecht«, sagte Reichhart, der hungrig auf den Tisch der Gäste blickte.
»So, so, ein Boot.« Der Wirt stieß den Dolch in den Tresen, wo dieser zitternd stecken blieb. »Wie viel Geld habt ihr denn bei Euch?«
»Genug für einen morschen Kahn wie den Euren«, meldete sich Agnes zu Wort. Zu spät fiel ihr ein, dass ihre Stimme für einen Mann viel zu hoch klang. Der Mann am Tresen musterte sie argwöhnisch von Kopf bis Fuß.
»Boote sind teuer hier in der
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