Die Burg der Könige
ihr, was ihr zu tun habt.«
Während die zwei Gefangenen von einer Abteilung Bauern durch die Dunkelheit des Lagers geschubst wurden, wandte sich Melchior von Tanningen in einem unbeobachteten Augenblick an Mathis.
»Wieso musstet Ihr ausgerechnet sagen, dass Ihr Geschützmeister seid?«, flüsterte er. »Jetzt fliegen wir entweder mit dem alten Rohr in die Luft oder dienen selbst als Kanonenkugeln. Wir hatten das Landsknechtsheer beinahe eingeholt, und nun ist unsere Jungfer wieder in unerreichbarer Ferne!«
»Ach, und warum musstet Ihr unbedingt erzählen, dass wir Pilger auf dem Weg nach Rom sind?«, giftete Mathis zurück. »Das ist ein Bauernheer! Der Papst ist für diese Menschen hier der Antichrist.«
»Die Bauern sind immer noch gläubige Leute. Außerdem konnte ich ja nicht ahnen, dass sie sich als ihren Anführer ausgerechnet den einarmigen Götz erkoren haben.«
Mathis sah ihn verdutzt an. »Ihr kennt den Mann?«
»Götz von Berlichingen ist ein fränkischer Raubritter und Blutsäufer. Er kommt aus gutem Haus und wurde am Ansbacher Hof erzogen. Doch irgendwann ist sein wahrer Charakter durchgebrochen. Über ein Dutzend Fehden hat er in Franken schon vom Zaun gebrochen, auch mit Angehörigen meiner Familie.« Melchior von Tanningen nickte grimmig. »Dass er sich jetzt den Bauern anschließt, passt zu ihm. Überall, wo es etwas zu rauben, zu entführen und zu plündern gibt, ist der Götz mit dabei.«
»Und diese … Eisenhand?«, warf Mathis zögerlich ein. »Ich habe so etwas noch nie gesehen.«
»Bei der Belagerung von Landshut hat ihm eine verirrte Kugel die rechte Hand zerschmettert. Was für ein Pech, dass er nicht an Wundbrand gestorben ist! Jedenfalls ließ er sich danach zwei künstliche Eisenhände machen. Eine für eher feierliche Anlässe und eine für den Kampf, ebenjene, die Ihr gerade kennengelernt habt. Es heißt, Götz kann sogar ein Schwert damit führen. Und das nicht einmal schlecht.«
Mittlerweile hatten sie einen Teil des Lagers erreicht, der besonders schwer bewacht wurde. Zelte und Lagerfeuer bildeten einen Kreis um etwa ein Dutzend schmutziger und teilweise verbogener Feuerrohre, die auf Lafetten oder zweirädrigen Pferdekarren aufgebockt waren. Auf anderen Wagen befanden sich Fässer, von denen Mathis vermutete, dass sie Schießpulver enthielten.
»Es ist das Rohr dort hinten«, sagte einer der Bauern und deutete auf ein stark verschmutztes, grünlich schimmerndes Stück Bronze. »Das hab’n wir beim Sturm auf Weinsberg erbeutet. Der Roider Michel, unser Schmied, sagt, es wär zu gefährlich, das Ding noch mal abzufeuern.« Er grinste. »Aber du und dein feiner Kamerad, ihr könnt es gern versuchen.«
Mathis trat zu dem alten Geschütz und inspizierte es oberflächlich. Es war eine sogenannte Feldschlange, eine auf eine Lafette geschnallte Waffe, die etwa zehn Pfund schwere Steinkugeln verschoss. Die Mündung und das Zündloch waren stark verkrustet, die morschen Räder des Karrens mussten ausgewechselt werden, doch immerhin konnte Mathis keinen sichtbaren Sprung in der Bronze erkennen.
»Ich brauche Spatel und Schaber«, wandte er sich an die Wachen, die neugierig zu ihm herüberglotzten. »Außerdem ein kleines Fass Zündpulver mit grober Körnung, eine trockene Lunte und eine Zehn-Pfund …« Er zögerte. »Nein, lieber eine Acht-Pfund-Kugel. Habt ihr so was?«
Der Wachmann nickte zögernd und ging mit ein paar seiner Kameraden hinüber zu den Karren mit dem Schießpulver.
»Und?«, flüsterte Melchior von Tanningen. »Werdet Ihr das Rohr reparieren können?«
Mathis seufzte. »Mit Gottes und Eurer Hilfe vielleicht. Es ist mindestens fünfzig Jahre alt. Wir werden es auf alle Fälle sehr gründlich säubern müssen.«
Nachdem die Wachleute das Gewünschte gebracht hatten, nahmen sie vorsichtig Abstand und beobachteten Mathis und Melchior, die nun damit begannen, die Feldschlange von Grünspan und Pulverresten zu befreien. Dabei überprüfte Mathis noch einmal alle Stellen auf mögliche Risse, reinigte das Zündloch und feilte wie besessen an der Mündung. Die Arbeit dauerte bis in die frühen Morgenstunden, doch schließlich begann Mathis, das Rohr mit Pulver zu befüllen.
Müde erhob sich einer der Bauern von seinem Wachplatz und rieb sich die Augen. »Wag ja nicht, in unsere Reihen zu schießen«, drohte er. »Sonst versprech ich dir einen langsamen Tod.«
Mathis schüttelte schweigend den Kopf, während rotglühend der Morgen dämmerte. Er war überdreht und
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