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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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nicht?«
    Agnes schwieg verbissen. Gerade wollte Friedrich fortfahren, als Mathis plötzlich laut auflachte. Er warf seinen Spaten weg und schüttelte in einer Mischung aus Verzweiflung und Amüsement den Kopf. Die Erkenntnis hatte ihn wie der Blitz getroffen, just in dem Augenblick, als Friedrich gedroht hatte, ihn in einen der Särge stecken zu lassen. Nun starrte er fassungslos auf die zerstörten Gräber vor ihm.
    Die Arbeit hätten wir uns sparen können , dachte er. Warum hat das keiner der anderen bemerkt? Sie sind alle offenbar wie besessen von dieser Lanze.
    »Was, verdammt noch mal, ist so lustig?«, blaffte Friedrich. »Spuck’s schon aus, Bursche. Bevor ich dir dein Maul mit einem Knochen stopfe!«
    »Ihr jagt mir keine Angst mehr ein, Scharfeneck!« Trotzig verschränkte Mathis die Arme. »Habt Ihr wirklich geglaubt, die Lanze wäre in einem der Sarkophage? Denkt doch mal nach! Wie dumm seid ihr eigentlich alle?«
    Melchior von Tanningen runzelte die Stirn. »Was meint Ihr damit? Erklärt Euch, Meister Wielenbach.«
    »Nun, wenn ich mich recht erinnere, befand sich Johann von Braunschweig auf der Flucht vor seinen Häschern, als er im Speyerer Dom schließlich gestellt wurde«, begann Mathis mit leiser Genugtuung. »Selbst wenn er die Lanze tatsächlich bei sich hatte – meint Ihr wirklich, er hätte noch die Zeit gehabt, in aller Seelenruhe einen der schweren Sarkophage zu öffnen und sie dort zu verstecken? Wie sollte das gehen, wenn nicht mit der Hilfe von Engeln?«
    Eine Weile war es so still, dass man nur den Wind hören konnte, der an den Fenstern des Doms rüttelte. Schließlich trat Friedrich von Scharfeneck zornig gegen das Monument. »Verflucht, der Kerl hat recht! Es ist die falsche Spur! Wenn die Lanze im Dom ist, dann muss sie an einem Ort sein, wo man sie schnell verstecken kann. Nur wo?«
    Er ließ seinen Blick lange durch das große Kirchengebäude schweifen, dann starrte er Agnes böse an.
    »Weißt du, was ich glaube?«, zischte er. »Du hast uns die ganze Zeit angelogen! Die Lanze ist nicht hier in der Gruft, sie ist wahrscheinlich nicht mal im Dom. Du hast das alles nur erzählt, um dein jämmerliches Leben ein klein wenig zu verlängern.« Er machte einen Schritt auf sie zu. »Aber damit ist jetzt Schluss. Ich werde …«
    »Die Lanze ist im Dom!«, schrie Agnes. »Ich weiß es einfach. Ich habe es gespürt, als ich das letzte Mal hier war. Sie muss hier sein, ganz sicher! Es war fast, als würde sie nach mir rufen.«
    Friedrich musterte sie spöttisch. »Du hast es gespürt, so, so … Dann empfehle ich dir, ganz schnell wieder etwas zu … spüren .« Er grinste böse, und in seinen Augen glomm einmal mehr ein wahnsinniges Funkeln. »Denk gut nach, Agnes. Du hast gehört, was ich vorhin gesagt habe. Wenn dir nicht gleich etwas einfällt, darf Mathis dem knochigen Kaiser Rudolf schon bald Gesellschaft leisten. Und zwar lebend, jedenfalls so lange, bis ihm in dem Steinsarg die Luft ausgeht.«
    In der darauffolgenden Stille glaubte Mathis sein eigenes Herz pochen zu hören. Starr vor Schreck blickte er auf das von Fleischfetzen übersäte Gesicht des mumifizierten Habsburgers. Schließlich straffte er sich.
    Niemals! Vorher nehme ich noch den einen oder anderen hier mit ins Grab.
    »Ich warte nicht mehr lange!«, schrie der Graf. »Wo ist die Lanze, Agnes? Sprich, oder dein Freund verschwindet in ewiger Finsternis! Eins … zwei …«
    Im Stiefelschaft drückte der Dolch gegen Mathis’ Ferse. Entschlossen biss er die Zähne zusammen und beugte sich langsam nach unten, um in seinen Stiefel zu greifen.
    Es war an der Zeit, aufrechten Hauptes zu sterben.
    Agnes war vor Entsetzen wie gelähmt. Hilflos sah sie sich in der riesigen Kirche um, in der Hoffnung, irgendeinen Hinweis zu finden, wo Johann die Lanze versteckt haben könnte. Hatte sie sich etwa doch getäuscht?
    Aber es war ja nicht nur der rätselhafte Spruch im Trifelser Kaisersaal gewesen, der sie auf die Spur gebracht hatte. Agnes hatte sich erinnert, wie sie mit ihrem Vater in Speyer zu Besuch gewesen war und nichtsahnend den Dom betreten hatte. Damals hatte sie gedacht, jemand würde hier neben dem Monument nach ihr rufen. Sie war der Meinung gewesen, irgendein Unbekannter habe sie bis in den Dom verfolgt. Doch mittlerweile glaubte sie fest, dass sie damals den Ruf ihrer Ahnen gehört hatte, die hier beerdigt waren. So wie sie vor drei Tagen in dem unterirdischen Saal auch Constanzas Stimme vernommen hatte. Versuchten ihre

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