Die Burg der Könige
jetzt doch noch eine letzte Chance …
Der König biss die Zähne zusammen, während er sich daranmachte, das Tier mit einem unterarmlangen Messer zu häuten. Dass er schon bald bis zu den Achseln mit Blut bespritzt war, störte ihn wenig. Er war der Meinung, ein Herrscher sollte in jeder Minute seines Handelns zeigen, wozu er fähig war.
Franz blickte von seiner Arbeit erst wieder auf, als das Hufgetrappel eines einzelnen Pferdes zu hören war. Ein schwarzgewandeter Reiter näherte sich auf einem ebenso schwarzen Ross. Sofort zogen einige der Ritter ihre Degen und stellten sich dem Ankömmling in den Weg. Es gab einen kurzen Wortwechsel, dann eilte Guy de Montagne auf seinen König zu.
»Es ist ein Bote aus Paris«, gab er kurz zu Protokoll. »Er sagt, Duprat habe ihn geschickt.«
Franz verdrehte die Augen. Antoine Duprat war sein Kanzler am Hof, der Sohn einer Auvergner Kaufmannsfamilie, der jedoch aufgrund seiner Intelligenz und seiner Kunst zu intrigieren zum Kardinal und Chef des königlichen Spitzelsystems aufgestiegen war. Auch wenn Franz die fette, pausbäckige Schranze nicht leiden konnte, so musste er doch anerkennen, dass Duprat ihm überaus nützlich war.
»Der gute Antoine«, seufzte er. »Was ist denn so überaus dringlich, dass er mich damit bei der Jagd belästigen muss?«
»Der Bote wollte nichts verraten, die Nachricht sei allein für den König bestimmt. Nur ein Wort sagte er: Fridericus. Ihr wüsstet dann Bescheid.«
» Fridericus? « Franz’ Miene veränderte sich schlagartig. »Sagte er tatsächlich Fridericus?« Er ließ das Messer fallen und wischte sich die blutigen Hände an seinen Beinlingen ab. »Der Mann soll sofort zu mir kommen. Alle anderen haben die Lichtung zu verlassen, allez vite! «
»Aber Majestät, wir kennen die Person nicht. Was ist, wenn …«
»Ich sagte, verlasst sofort die Lichtung. Haltet euch meinethalben mit Armbrüsten bereit, aber ich will keine Zuhörer. Verstanden?«
Guy de Montagne verbeugte sich tief, dann entfernte er sich, wobei er auch den anderen Rittern das Zeichen zum Rückzug gab. In der Zwischenzeit stieg der Bote von seinem Pferd und näherte sich unter zahlreichen Bücklingen Seiner Majestät.
»Es heißt, du bringst Nachricht von Fridericus?«, begann Franz ohne Umschweife.
Der Bote nickte. »Duprat schickt mich. Ich soll Euch sagen, dass unser Agent den Ort nun endlich erreicht hat. Er wird uns sofort Meldung geben, wenn er fündig geworden ist.«
Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Königs aus. »Das ist gut. Sehr gut sogar.« Er atmete erleichtert aus. »Dann ist an der alten Legende tatsächlich etwas dran?«
»Unser Mann hat Erkundigungen eingezogen und einige Archive aufgesucht. Die Geschichte könnte tatsächlich der Wahrheit entsprechen.«
Franz hob den Kopf und atmete den Geruch des Waldes ein, in den sich der Duft von Blut mischte. »Wenn es stimmt und wir fündig werden, dann hat Karl die längste Zeit auf dem Thron gesessen«, sagte er leise, wie zu sich selbst. »Dann werden die Karten neu gemischt.« Er musterte den Boten. »Ist das alles?«
Der Mann vor ihm blickte unterwürfig zu Boden. Seine dürren langen Finger waren wie zum Gebet ineinander verhakt, der nasse, schlammverkrustete Mantel hing an ihm wie an einer Vogelscheuche. »Nun, da ist noch etwas«, begann er zögerlich. »Unsere Spione in Valladolid haben berichtet, dass einer unserer Agenten schon vor ein paar Wochen abgefangen wurde. Wir wissen nicht, ob er geredet hat. Wir wissen nur eins …« Er räusperte sich. »Den Habsburgern ist nun klar, dass wir von dem Geheimnis erfahren haben. Unter Karl haben sie sich bislang nicht darum gekümmert. Aber nun haben sie selbst einen Mann geschickt. Wenn er zuerst fündig wird …«
»Wer ist dieser Mann?«, unterbrach ihn Franz barsch.
»Wir arbeiten noch daran, seinen Namen in Erfahrung zu bringen. Aber es heißt, er sei einer ihrer besten Agenten. Die Angelegenheit ist für die Habsburger offenbar ebenso wichtig wie für unsere Seite.«
»Verflucht! Wie konnte das passieren!« Der König trat gegen den Kadaver der Hirschkuh, und Blut lief über seine mit Silber verzierten Schnallenschuhe. Er schüttelte den Kopf, schließlich stieß er ein leises Lachen aus.
»Es ist zu köstlich«, sagte er schließlich. »Wir kämpfen in Italien, in Burgund und vermutlich schon bald auf der anderen Seite des Atlantischen Ozeans. Wir werfen Männer zu Tausenden in die Schlacht, und nun scheint es, als würde das
Weitere Kostenlose Bücher