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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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nicht vorstellen, dass Richard Löwenherz sich hier unten so wie er mit den Ratten um seine Mahlzeit hatte balgen müssen. Vermutlich war der englische Herrscher standesgemäß in einem der oberen Räume untergebracht gewesen, bis das Lösegeld schließlich eintraf; angeblich hatte Seine Hoheit auf dem Trifels sogar einige schwülstige Gedichte geschrieben.
    Mathis lachte bitter bei der Vorstellung, er würde mit Feder und Pergament zwischen den Ratten Liebesgedichte verfassen. Für wen? Für Agnes etwa? Seine Zuneigung zu ihr war in den letzten Tagen merklich abgekühlt. Warum hatte er nur auf sie gehört und war nicht wie geplant in die Wälder geflohen! Es hieß, dass sich in den tiefen grünen Tälern des Wasgaus, ja am gesamten Oberrhein, immer mehr Aufrührer sammelten, um gegen die Ungerechtigkeiten der Fürsten, Grafen und Herzöge aufzubegehren. Vermutlich hatte sich auch der Schäfer-Jockel nach seiner Flucht aus Annweiler den Rebellen angeschlossen. Mathis fluchte leise. Überall im Reich gärte und brodelte es. Und er lag hier im Trifelser Kerker und verfaulte!
    Immer wieder hatte Agnes versucht, ihm durch die Lichtschlitze Trost zu spenden, aber nur so lange, bis die Wachen sie vertrieben. Aber im Grunde wollte Mathis mit Agnes gar nicht reden. Sie war die Tochter jenes Vogts, der ihn erst in diese Lage gebracht hatte – die Tochter eines Adligen. Was hatte Philipp von Erfenstein denn getan, um die Lage seiner Bauern zu verbessern? Nichts! Agnes berief sich darauf, dass ihr Vater die Gesetze nicht gemacht hatte. Als ob man Gesetze nicht verändern konnte! Vielleicht hatte der Jockel ja doch recht, wenn er alle Mächtigen über einen Kamm scherte. Mathis dachte an die Worte seines Vaters, die ihm seit seiner Einkerkerung nicht mehr aus dem Kopf gingen.
    Sie ist die Tochter des Burgvogts und er nur ein einfacher Schmiedgeselle. Wo soll das schon hinführen?
    Ein Knarren riss Mathis aus seinen Gedanken. Als er nach oben blickte, sah er, dass die steinerne Deckenplatte zur Seite geschoben wurde. Das Gesicht von Ulrich Reichhart, dem Geschützmeister, tauchte in der Öffnung auf. Mathis’ Herz begann wild zu klopfen. Kam ihn der Annweiler Stadtvogt jetzt holen, um ihm den Prozess zu machen? Oder hatte Phil­ipp von Erfenstein endlich ein Einsehen und ließ ihn frei?
    »Ich hab Besuch für dich«, brummte der alte Ulrich zu ihm herab. »Der Burgvogt hat deiner Mutter erlaubt, nach dir zu sehen.«
    Im nächsten Augenblick erschien das Gesicht von Martha Wielenbach über ihm. Obwohl es gute fünf Schritt bis hinauf zur Decke waren und kaum Licht vorhanden war, sah Mathis auf den ersten Blick, wie gramvoll seine Mutter wirkte. Ihre einstmals schwarzen Haare waren in den letzten Wochen merklich grauer geworden.
    »Mathis!«, rief sie hinunter, »Mathis! Mein Gott, wie geht es dir?«
    »Wie’s einem halt geht, wenn man fast einen halben Monat in diesem Loch haust«, erwiderte Mathis und versuchte, möglichst ruhig zu klingen. »Muss mich mit den Ratten um das bisschen Brot balgen.« Er spürte, wie seine Kehle rau und trocken wurde, eine bittere Flüssigkeit stieg darin auf. Trotz der Trauer, die ihn plötzlich überkam, war er entschlossen, dass seine Mutter ihn nicht weinen sehen sollte.
    »Ich … ich hab dir etwas zu essen mitgebracht«, sagte Martha Wielenbach stockend. »Der Ulrich ist so freundlich und lässt mich zu dir hinunter.«
    »Glaub mir, Mathis«, beteuerte der alte Geschützmeister. »Wenn’s nach mir ginge, wärst du schon längst wieder frei. Aber der Vogt ist manchmal ein sturer Hund. Nun, wenigstens liefert er dich nicht an den Gessler aus. Das ist doch auch schon was.«
    Die Burgmannen Gunther und Sebastian kamen Ulrich zu Hilfe, mittels einer Seilschlaufe ließen sie Martha Wielenbach langsam abwärtsgleiten. Mit der freien Hand umklammerte die Frau des Schmieds einen Korb, in dem Mathis schemenhaft frisches, noch dampfendes Brot und honiggelben Käse erkennen konnte. Sein Magen begann erneut, lautstark zu knurren.
    Unten angekommen, stieg Martha Wielenbach hastig aus der Schlaufe und umarmte ihren Sohn. »Mathis, mein Mathis!«, flüsterte sie immer wieder. »Wenigstens scheinst du gesund zu sein.« Sie weinte ein bisschen. »Sag, warum hat es nur so weit kommen müssen?«
    Mathis stieß sie sanft weg. »Ist schon in Ordnung, Mutter«, erwiderte er. »Für den Diebstahl büß ich gern. Doch das andere bereue ich nicht.«
    Seine Mutter wischte sich die Tränen fort und sah ihn fragend an.

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