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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Geschützkammer zu gehen. Danach blickte er stets noch eine Spur finsterer drein.
    Was Agnes zudem zu schaffen machte, war ihr neuer Traum vom Trifels. Dieser Traum verblasste nicht, im Ge­genteil, von Tag zu Tag nahm er deutlicher Gestalt an. Inzwischen sah sie jede einzelne Szene ganz klar vor sich: den Jüngling im Kettenhemd oben auf dem Palas, seine lautlosen Worte, den Ring an ihrem Finger. Sie hatte seine flehende Bitte von den Lippen ablesen können.
    Nimm den Ring ab! Nimm ihn ab!
    Einmal mehr zog Agnes den merkwürdigen Siegelring hervor, der noch immer an einer Kette um ihren Hals hing. War dieses Schmuckstück für sie wirklich gefährlich? Waren die Träume vielleicht warnende Boten aus einem fernen Land oder sogar aus der Vergangenheit? Kopfschüttelnd steckte sie das Kleinod zurück unter ihr Mieder. Vermutlich waren sie nur die Folge der seltsamen Wochen, die hinter ihr lagen. Pater Tristan hatte sie aus irgendeinem Grund vor dem Ring gewarnt, und nun quälten sie diese Warnungen wie Nachtmahre.
    Am Burgtor nickte Agnes dem Büttel Gunther grüßend zu. Der Wachmann brummelte etwas Unverständliches in seinen Bart, doch sie blieb nicht stehen, sondern eilte über die Rampe hinauf zum unteren Burghof, wo in einer Ecke der mannshohe Vogelkäfig stand. Parcival begrüßte sie mit fröhlichen Flügelschlägen. Mittlerweile hatte er sich völlig erholt, und Agnes war mit ihm auch schon wieder draußen in den Wäldern gewesen. Für die Beizjagd war er allerdings zu sehr in der Mauser, aber seit ihrer Begegnung mit dem Raubritter Hans von Wertingen und seinen Spießgesellen war Agnes das Jagen ohnehin ziemlich verleidet. Ständig glaubte sie, hinter dem nächsten Baum eine Gestalt hervorhuschen zu sehen.
    »Kommst ein wenig zu kurz in letzter Zeit, nicht wahr, Kleiner?«, redete sie tröstend auf Parcival ein. »Ich verspreche dir, dass wir schon bald wieder einen langen Ausflug machen.«
    Erst jetzt bemerkte sie, dass hinten bei den Ställen ein fremdes Pferd stand. Es war ein feuriger Rappe mit frisch gekämmter Mähne und gestriegeltem Fell, der den Kopf in einen Kübel Hafer gesteckt hatte. Auf den Stufen hinauf zum oberen Burghof lümmelten die beiden Burgmänner Eberhart und Sebastian und würfelten. Vor ihnen stand ein fast ge­leerter Krug Wein. Als sie Agnes erblickten, erhoben sie sich schwankend.
    »Gott zum Gruß, Herrin«, säuselte Sebastian. »Ich hoffe, Ihr hattet einen angenehmen Tag.«
    »Wohl kaum so angenehm wie ihr.« Agnes deutete auf das fremde Pferd. »Wir haben Besuch, wie ich sehe?«
    »Ho- … hoher Besuch«, lallte Eberhart. »Hat als Willkommensgeschenk gleich ein Fass welschen Weins mitgebracht. Ein dreifaches Hooooch auf den Grafen!«
    »Den Grafen?« Agnes sah die beiden Wachen verdutzt an. Da keine weitere Erklärung kam, lief sie weiter in den oberen Burghof. Schnell brachte sie den Beutel Salz in die Küche und verstaute den Tuchballen, dann schritt sie neugierig die Treppe zum Rittersaal empor.
    Als Agnes die große Halle betrat, sah sie ihren Vater auf einem Schemel vor dem kalten Kamin hocken. Neben ihm saß ein jüngerer blasser Mann, der in feines Tuch gekleidet war. Er trug ein schwarzes Barett, ein ebenso schwarzes Wams und enge seidene Beinlinge, um seinen Hals hing eine goldene Kette. In dem düsteren, mit mottenzerfressenen Teppichen behängten Saal wirkte er wie ein Bote aus einer an­deren, reicheren Welt. Offenbar waren die beiden Männer gerade in ein ernsthaftes Gespräch vertieft gewesen. Zwei angeschlagene Glaspokale, gefüllt mit Wein, standen auf einem kleinen Tisch. Agnes wusste, dass ihr Vater die wertvollen Gläser nur hervorholte, wenn ein wichtiger Gast kam. Als Philipp von Erfenstein seine Tochter bemerkte, unterbrach er das Gespräch.
    »Ich dachte, du bist noch unten in Annweiler?«, brummte er ungehalten. Dann deutete er auf den Fremden. »Nun, wie auch immer, wir haben einen Gast. Das ist der junge Friedrich von Löwenstein-Scharfeneck. Ich habe dir bereits von seiner Familie erzählt. Erweise dem Grafen bitte die ihm gebührende Reverenz.«
    Agnes beugte die Knie. Tatsächlich hatte ihr Vater gelegent­lich von den Löwenstein-Scharfenecks gesprochen – vielmehr, er hatte lautstark über sie geschimpft. Für den Trifelser Burgvogt waren die Scharfenecks eine jener adligen Familien, die sich nicht durch Taten, sondern allein durch ihre Abstammung hervorhoben. Ihre Stammburg befand sich nur einige Meilen von Annweiler entfernt, nicht weit von

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