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Die Burg

Die Burg

Titel: Die Burg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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gutem Deutsch begrüßt wurde. Er trug schwarze, weite Kniehosen und ein braunes, wollenes Wams über einem geschnürten Hemd aus ungebleichtem Leinen. «Mein Name ist Colin», stellte er sich vor.
    Am Rande des Camps waren unter Segeltuchdächern Stände verschiedener Gewerke aufgebaut: ein Feldscher, Spinnerinnen, ein Spielzeugschnitzer, ein Schreiber, zwei Männer, die Musketenkugeln gossen. Dorthin nahm Colin die Kinder mit und zeigte ihnen als Erstes die chirurgischen Instrumente. Astrid hörte seinen Erklärungen nur mit halbem Ohr zu, ähnliche Stände hatte sie schon öfter auf Handwerkermärkten gesehen. Viel mehr faszinierte sie das Lagerleben. Frauen in wollenen Röcken, geschnürten Miedern und weißen Hauben bereiteten das Essen zu, Kinder in langen, hellen Hemdchen spielten mit Reifen, Kreiseln und Holzkugeln, in einem Bollerwagen schlief, in ein Schaffell gekuschelt, ein Säugling. Hinter dem Küchenzelt waren die Männer versammelt. Knappe, harsche Befehle, und die Krieger führten verschiedene Manöver mit meterlangen Piken durch.
    Colin scharte die Kinder um sich und erzählte ihnen von Oliver Cromwell, King Charles und der Schlacht von Powick Bridge, erklärte, dass England nicht immer eine Monarchie, sondern für kurze Zeit eine Republik gewesen sei.
    «Meine Güte», dachte Astrid. «Die Kinder sind gerade mal acht, die verstehen doch überhaupt nicht, was du da erzählst.»
    Das hatte der Mann anscheinend gerade auch gemerkt. «Wir gehen jetzt zu den Musketieren, da wird laut geknallt. Also, Ohren zuhalten.»
    Die Musketiere waren die Männer mit den farbigen Schärpen, die Astrid schon von der Burg aus beobachtet hatte. An deren Hüften baumelten lange, glimmende Lunten.
    «Wir schießen ohne Kugeln, nur mit Schwarzpulver», erklärte Colin. «Im Krieg ist das anders, aber hier ist das zu gefährlich.»
    Aus kleinen hölzernen Behältern, die sie an einer Schnur über die Schulter gehängt trugen, füllten sie das Pulver ein und traten in einer Reihe ans Ufer. Witze reißend einigten sie sich auf ein Ziel auf der anderen Flussseite; so wie Astrid sie verstand, handelte es sich um eine Parkbank – und feuerten. Es war ohrenbetäubend, und es stank.
    Katharina fing an zu weinen, und Astrid hockte sich schnell hin und nahm sie in die Arme. Neben ihr im Stroh lag ein junger Schütze, den der Rückstoß der Muskete gut drei Meter nach hinten geschleudert hatte. Er grinste sie aus seinem pulvergeschwärzten Gesicht frech an und rappelte sich auf. Die anderen kamen und klopften ihm auf die Schulter – es schien sich um eine Art Mutprobe zu handeln, eine möglichst große Menge Schwarzpulver zu nehmen.
    «Möchtest du nach Hause, Maus?»
    «Nein», schluchzte Katharina. «Aber die sollen nicht mehr schießen.»
    Auch die anderen Kinder waren verschreckt, und Frau Jansen redete hitzig auf Colin ein, der nur die Achseln zuckte. «Hier ist die Führung beendet. Sie können sich aber gern noch weiter umsehen.»
    «Sollen wir uns mal das Küchenzelt anschauen? Die haben da eine kleine Ziege.»
    Aber Katharina war abgelenkt. «Guck mal, Mama», rief sie und zeigte auf eine Frau, die einen Korb voll brauner Eier auf der Hüfte trug.
    Astrid stand auf. «Ruth?»
    Die Frau stellte den Korb ab und kam ihnen lächelnd entgegen. Ruth Pannier – Astrid hatte sie vor Jahren in einem Italienischkurs kennengelernt, und sie hatten sich auf Anhieb gut verstanden, waren miteinander Kaffee trinken gegangen und hatten sich später, zusammen mit ihren Männern, ein paarmal zum Essen verabredet. Aber über dem alltäglichen Trott war ihre Beziehung in letzter Zeit so gut wie eingeschlafen.
    Ruth hatte sich als Lyrikerin einen Namen gemacht und war viel unterwegs auf Buchvorstellungen und Lesereisen, ihr Mann Anton war Chirurg und außerdem in der Stadtpolitik engagiert, und Toppes und Astrids Beruf ließ auch nur wenig Freiraum für spontane Freizeitaktivitäten. Was sehr schade war, denn Astrid hatte die beiden wirklich liebgewonnen, und auch Helmut, der sich normalerweise leicht verschloss, hatte ihr Beisammensein genossen.
    «Astrid, wie schön, dass wir uns treffen!» Ruth umarmte sie. «Mensch, Katharina, was bist du gewachsen!» Sie lachte. «Ich höre mich an wie meine eigene Mutter.»
    «Was treibst du denn hier», staunte Astrid, «in diesem Aufzug?»
    «Ach, Toni und ich kennen die Militia schon seit Jahren. Wir waren ein paarmal bei ihnen in England. Und sie wollten unbedingt, dass ich mal so richtig am

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