Die Burg
gewesen sein könnte, ließ sie erschaudern. Im Beruf ihres Mannes mache man sich natürlich nicht nur Freunde, und es habe über die Jahre immer mal wieder Patienten gegeben, die sich über Franz beklagt hatten, aber das sei nicht ungewöhnlich. «Ich weiß jedoch, dass er sich nie wirklich bedroht gefühlt hat.»
«Vielleicht hat er es auch nur für sich behalten, um seine Familie nicht zu beunruhigen», dachte Toppe – sie würden sich bei Hornungs Kollegen in der Klinik umhören müssen.
«Ich bin noch aus einem anderen Grund zu Ihnen gekommen», sagte er. «Es geht um das Begräbnis Ihres Mannes.»
Er bemerkte, dass sie zusammenzuckte.
«Wir können nicht ausschließen, dass der Attentäter es noch einmal versucht und dass er wieder ein öffentliches Ereignis wählen wird, wie zum Beispiel die Beerdigung eines der Opfer.»
Sie legte kurz die Hand an die Kehle und schaute ihm dann fest in die Augen. «Es wird keine Beerdigung geben, Herr Toppe. Mein Mann wird morgen kremiert, und die Urne wird anonym beigesetzt, ohne dass wir dabei sind. Der Bestattungsunternehmer ist sehr verständnisvoll …»
Toppe nickte – der Bestatter würde eine leere Urne beisetzen und der Familie die Asche zukommen lassen, was nicht ganz legal war. Aber er lächelte beruhigend, und sie atmete auf.
«Franz wollte, dass seine Asche zwischen den Rebstöcken seines Lieblingsweingutes in Südfrankreich verstreut wird. Seine Familie und seine Freunde sollten dabei sein und auf ihn anstoßen mit den besten Tropfen, die noch in seinem Weinkeller sind. Wir fahren morgen nach St. Christoly de Médoc.»
«Wird Ihnen das nicht schwer?»
«Nein», antwortete sie nachdenklich. «Das macht es sogar irgendwie leichter. Es ist gut, etwas zu tun zu haben: den besten Wein aussuchen, den Wohnwagen packen, wie wir es jedes Jahr getan haben, an alles zu denken, nichts zu vergessen. Und es wird gut sein, wegzufahren, das Haus für eine Weile nicht zu sehen, stattdessen ein paar Tage mit ein paar wirklich lieben Freunden zu verbringen …»
In der Diele klingelte das Telefon.
«… und diesem verdammten Telefon zu entkommen», schloss sie grimmig.
Peter Cox hatte sich das Amateurvideo, das inzwischen eingetroffen war, mehrmals angeschaut. Es war ohne Stativ aufgenommen worden und deshalb etwas verwackelt und zudem nicht ganz scharf. Der Film war kurz, nicht einmal eine Minute lang, man sah die Militia miteinander kämpfen, dann schwenkte die Kamera über die Zuschauer, und als sie eben die Ehrentribüne erreicht hatte, ereignete sich die Explosion, Holz, Metall, Menschen flogen durch die Gegend, dann brach der Film ab.
Den Schwenk über die Zuschauer sollte er sich noch einmal in Standbildern anschauen, bevor er das Band in die Technik brachte, aber ihm flimmerte es vor den Augen, er war einfach zu müde. Viel Schlaf hatte er in der letzten Nacht nicht bekommen. Aus der Motorradtour war nichts geworden, denn es hatte in Strömen geregnet, und so hatte er Penny mit zu sich nach Hause genommen. Sie hatten Tee gekocht und Käsetoasts gemacht und dann bis um drei Uhr in der Frühe geredet. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal so wohl gefühlt hatte. Erst als sie sich verabschiedete, hatten sie sich geküsst.
Beide hatten gezögert, aber dann war sie gegangen. «Ich möchte gern wiederkommen.»
Er hatte kaum geschlafen, war schon um sechs Uhr wieder aufgestanden, hatte sein Bett frisch bezogen und das Bad geputzt. Hoffentlich konnte er heute zu einer einigermaßen zivilen Zeit Feierabend machen.
Die Tür ging auf. «Ist der Chef nicht da?»
Es was Bernie Schnittges, einer von den Krefeldern. Cox hatte schon öfter mit ihm zu tun gehabt und mochte ihn, ein Hüne mit breiten Schultern, rotem Gesicht und Riesenpranken, der eher aussah wie ein fröhlicher Landmann als wie ein Kripobeamter.
«Helmut ist unterwegs. Was gibt’s denn?»
«Dieser Schuh, den wir am Tatort gefunden haben, bis jetzt hat sich der Besitzer noch nicht gemeldet, dabei hat das Foto in allen Zeitungen gestanden und geht durch sämtliche Nachrichtensendungen.»
«Seltsam», sagte Cox. «Man sollte doch meinen, dass es einem auffällt, wenn man seinen Schuh verliert.»
«Genau, und wenn man keinen Dreck am Stecken hat, gibt es keinen Grund, sich nicht bei der Polizei zu melden.» Schnittges griente. «Ich habe mir den Schuh einmal genauer angesehen, das ist ein orthopädisches Modell. Ich denke, ich klemme mich mal dahinter und klappere die
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