Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby
im Reich der Toten verhindern konnte. Doch jetzt lehnte sie die Stirn an die kühle Wand und schloss die Augen.
Schlag die Tür zu , sagte sie zum Universum. Sperr ab, wirf den Schlüssel weg und lass sie zu, bis Sophie Enkel hat. Bis Gabe selber anklopft, weil es an der Zeit ist.
Klein und verloren stand Tang im Wartebereich. Wortlos wandte sie sich ab und eilte davon. Nach kurzem Zögern folgte ihr Jo. Als sie um die Ecke bog, wäre sie fast gestolpert.
Gleich dahinter kauerte Tang an der Wand, die Hände vorm Gesicht. Sie atmete stockend.
Jo hockte sich neben sie. Amy Tang, die niemandem einen Blick durch ihre abweisende Schale erlauben, sondern den Eindruck erwecken wollte, dass sie nur aus Stacheln bestand, konnte nicht aufblicken. Das Einzige, was für sie noch schlimmer war als das Gefühl von Schmerz, war das Zeigen von Schmerz. Und sich von jemandem trösten zu lassen kam überhaupt nicht infrage.
»Ich mach mir Sorgen wegen der Razzia bei meinen Eltern«, sagte sie.
»Und ich mach mir Sorgen, weil die Giants gegen die Cubs verloren haben«, erwiderte Jo trocken. »Im Moment kann ich einfach nicht allein sein.«
Tang ließ den Kopf sinken.
Jo beugte sich zu ihr. »Du hast es großartig gemacht, Amy. Du bist eine echte Heldin.«
Lange blieb Tang völlig reglos. Dann bebten ihre Schultern. Sie drückte die Fäuste an die Augen, und ein heftiges Schluchzen brach aus ihr hervor. »Wenn du das jemandem erzählst, reiß ich dir mit einer Nadelzange die Zunge raus.«
Jo schlang den Arm um sie. »Was anderes hätte ich auch nicht verdient.«
KAPITEL 61
Am nächsten Morgen steuerte Jo im Krankenhaus auf Gabes Zimmer zu. Der Korridor war still und sonnendurchflutet. Als sie sich der Tür näherte, traten die ungleichen Zwillinge des SFPD heraus.
Darts Hand fuhr nach oben, um eine Krawatte zurechtzuzupfen, die er gar nicht trug.
Bohr setzte ein Lächeln auf, das ihn etwas menschlicher machte. »Guten Tag, Dr. Beckett.«
»Meine Herren.«
»Die Polizei wollte Sergeant Quintana ihre Anerkennung für sein mutiges Handeln gestern aussprechen.« Er tippte sich an den kahlgeschorenen Kopf. »Und auch Ihnen.«
»Danke.«
»Haben Sie schon Ihren psychologischen Autopsiebericht eingereicht?«, erkundigte sich Dart.
»Am Montag.«
»Ich nehme an, Sie kommen zu dem Schluss, dass Tasia McFarland Opfer eines Mordes wurde.«
»Nach Lage der Dinge gehe ich davon aus, dass Ms. McFarland kurz vor ihrem Tod um ihr Leben gefürchtet hat
und es nicht verlieren wollte. Sie war nicht selbstmordgefährdet. Und sie hatte allen Grund zu der Annahme, dass Ace Chennault es auf sie abgesehen hatte.«
»Chennault hat sie getötet«, stellte Bohr fest.
Sie musterte ihn eindringlich. »Sie haben ihn auf dem Filmmaterial der Überwachungskameras im Stadion entdeckt?«
»Er trug zwar Kapuzenshirt und Sonnenbrille, aber wir meinen, dass er es ist. Der Gang vor der VIP-Suite des Stuntteams ist voller Leute, aber er kreuzt viermal das Bild. Dann läuft der Stuntkoordinator raus und fordert den Sicherheitsdienst auf, über die Nachbarsuite zu Tasia auf dem Balkon vorzudringen. Die Wachleute sind rübergerannt, und Chennault hat sich hinter ihnen reingeschmuggelt.«
Jo hatte keine Mühe, sich die Szene auszumalen. »Er ist ihnen auf den Balkon gefolgt und hat in der allgemeinen Verwirrung Tasia gepackt. Er hat ihre Hand mit der Waffe nach hinten gebogen und abgedrückt.«
Bohr nickte.
»Er hat also die Gelegenheit genutzt«, stellte Jo fest.»Was aber immer noch nicht die Frage beantwortet, ob Tasia wusste, dass der Colt geladen war.«
Bohr schaffte es nicht, ein zufriedenes Lächeln zu unterdrücken. »Erinnern Sie sich noch an den Typen, der sich die Waffe geschnappt hat, als sie runterfiel? Wir haben noch mal mit ihm geredet. Und Überraschung, Überraschung, er hat sich seine Geschichte noch mal durch den Kopf gehen lassen. Er hatte die Patronen in einer Schublade bei sich zu Hause. Hatte die Waffe entladen, bevor er sie bei uns abgegeben hat. Als dann herauskam, dass ihr Tod Teil einer Verschwörung
gegen den Präsidenten war, wurden ihm diese Souvenirs zu heiß.«
»Tasia hat die Waffe also selbst geladen, um sich zu schützen«, antwortete Jo, »und das wurde ihr zum Verhängnis.«
Sie schwiegen eine Weile.
Schließlich ergriff Bohr wieder das Wort. »Gestern Abend wurde im Internet ein langer Sermon von Tom Paine gepostet. Er hatte es vorher geschrieben und so eingestellt, dass es automatisch verschickt wird. Paine
Weitere Kostenlose Bücher