Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby
und rannte hinüber zu Tang. Amy hielt sich an Gabes Hemd fest. Ihre Brust und
der Hals waren rot von Blut. Wie lange Handschuhe umhüllte es ihre Arme.
Jo sprang über ein Stück des Leichenwagens. Eine Achse mit einem brennenden Reifen daran. Tang sagte irgendetwas zu Gabe. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt.
»Amy.« Jo sank neben Tang in die Knie.
Sie klammerte sich an Gabes Hemd, als wäre es das Leben. »Hilfe.«
Jo drehte sich um und brüllte: »Sanitäter!«
Tang packte sie am Arm. Ihre Hand war warm und feucht und hatte einen Griff wie ein Schraubstock.
»Wo bist du verletzt?«, fragte Jo.
Tang öffnete den Mund und schüttelte den Kopf. Jo strich ihr mit der Hand über die Brust, um die Stelle zu finden.
Tang drückte Jo die Hand. »Nicht ich.«
Jo riss Tangs Hemd auf. »Halt durch, Amy.«
Tangs Blick glitt zu Gabe. Jo erstarrte.
Tang klammerte sich an Gabes Hemd, aber nicht vor Schmerzen. Sie drückte die Hand auf seine Brust. Erst jetzt bemerkte Jo, dass er zitterte. Und genau in diesem Moment brach er neben Tang zusammen. Als er nach vorn sackte, sah Jo die Wunde. Er war derjenige, den der Schuss getroffen hatte.
KAPITEL 60
Die Hupe in Jos Kopf übertönte jedes andere Geräusch. Wild mit den Armen rudernd schrie sie: »Sanitäter!« Die Hupe verschluckte das Wort, und sie hörte es nicht, doch die Rettungsassistenten blickten auf. Tang kniete sich hin und drückte mit beiden Händen auf Gabes Brust. Sie klebte an ihm, wollte nicht loslassen.
Jo schrie und winkte weiter. »Schussverletzung in der Brust.«
Durch rußigen schwarzen Rauch und zuckende Polizeilichter sprinteten die Sanitäter auf sie zu.
Tang beugte sich über Gabes Gesicht. Ihre Lippen arbeiteten. Es schien, als wollte sie ihre Lebenskraft in ihn hineinpressen.
Gabe hing an ihren Lippen. Dann glitt sein Blick zu Jo.
Ihre Ohren gingen wieder auf. Sie hörte Tang, die immer wieder sagte: »Du hast mich gerettet.«
Jo versuchte einen Eindruck von seiner Verletzung zu gewinnen. Aber sie sah nur Blut und den groben Umriss der Austrittswunde. Der Lärm in ihrem Kopf begann von neuem, ein hohes, anhaltendes Schrillen.
Gabe blinzelte. Er schien sie vom anderen Ende eines Periskops aus zu betrachten. Seine Finger krochen über den schmutzigen Asphalt, um ihren Arm zu berühren. Obwohl er flach auf dem Rücken lag, hatte Jo das Gefühl, dass er sie aus großer Höhe musterte.
»Hast mich gerettet, Quintana.« Zitternd leierte Tang ihr Mantra herunter.
Jo berührte sie an der Schulter. »Lass los.«
Tang presste weiter die Hand auf Gabes Brust. »Mich gerettet.«
»Amy, lass los.«
»Wir machen das schon.« Endlich waren die Sanitäter da.
Tang starrte ihre Arme an, als gehörten sie jemand anders. Schließlich nahm sie die Hände von Gabes Brust.
Die Sanitäter schnitten sein Hemd auf und machten sich an die Arbeit. Etwas in ihm schien sich zu lösen, als wäre ein Faden herausgezogen worden. Er hatte ausgeharrt, oder Tang hatte ihn wachgehalten, bis die Sanitäter kamen. In seinen Augen glänzte ein tiefer Schmerz, der ihn jedoch nicht zu überraschen schien. Er schloss sie.
Jo legte ihm die Hände auf die Wangen. »Nein.«
Er machte die Augen wieder auf.
»Du bist hier«, sagte sie. »Sonst nirgends. Hör auf mich.«
Blinzelnd versuchte er sich zu konzentrieren.
»Bleib hier. Sophie ist hier. Du musst hierbleiben.« Das hohe Schrillen in ihrem Kopf verstärkte sich. »Ich bin hier.«
Seine Lippen bewegten sich, aber kein Laut drang heraus.
Hektisch rissen die Sanitäter Ausrüstungsgegenstände aus ihrem Koffer. Einer von ihnen rief über Funk einen Rettungshubschrauber.
Jo beugte sich vor, die Hände an seine Wangen gepresst, und zwang ihn mit der Kraft ihres Blicks, die Augen offen zu halten.
»Schau nicht ins Licht, Quintana, schau mich an. Es ist noch nicht Zeit. Ich liebe dich.«
Sie hatte keine Ahnung, ob er sie überhaupt hören konnte.
Die Toten lagen stundenlang auf der Straße und der Kirchentreppe, während die Ermittler Fotos machten und die Forensiker in gespenstischen Overalls zwischen ihnen herumwanderten. Die Nachrichtenhubschrauber, die die Szene umkreisten wie Haie, mussten auf Abstand bleiben, doch auch Bilder aus der Froschperspektive fingen Chennaults Vermächtnis klar und deutlich ein.
Im Wartebereich des San Francisco General Hospital sah sich Jo die Nachrichten an. Vienna Hicks wurde gerade operiert. Sie hatte Granatsplitter im Rücken und Verbrennungen zweiten Grades, aber ihr
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