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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Martínez de Aragón, wonach die Kathedrale eine »uneinnehmbare Festung« sein soll.
    Auch der Marseiller, Juan, der Maño wollen sich nicht in diese Falle sperren lassen. Was wollen wir machen, Compañeros? Abhauen? Die Milizionäre sind erbost über die Befehle des Kommandanten, sie sind Freiwillige, man kann sie zu nichts zwingen. Genau wie die CNT , sagt der Marseiller, und die Sozialisten unter Pepe Lagos. Was jetzt?
    Sie müssen abwarten, wie ihre Lage nach dem nächsten Angriff ist, denn diese Ruhe verheißt mit Sicherheit nichts Gutes, sagt Juan Laborda, aber sie werden standhalten, davon ist er überzeugt, wenn sie schon in Sigüenza geblieben sind, dann wollen sie die verdammten Faschisten auch eigenhändig hinausjagen.
    Wir tranken gerade heiße Schokolade, als wir den Lärm hörten, tausende Bienen, zehntausende, Millionen. Ein gewaltiges Brummen. Die ersten Bomben explodierten auf den umliegenden Anhöhen, unser Haus verschonten sie noch eine ganze Weile lang. Die Flugzeuge flogen zwischen Bergen und Stadt hin und her. Sebastián sagte, sie würden uns nicht angreifen, weil das Haus so nah am Bahnhof lag, und den bräuchten die Faschisten. Und ich glaubte ihm.
    Als der erste feindliche Splitter in die Wand schlug, stellte ich mich mit meinem Gewehr an ein Fenster und schoss, mehr, um Wut und Angst zu entladen, als um zu töten.
    »Hör auf, Mädchen«, befahl mir Juan, der zufällig im Haus war, als die Bombardierung begann. »Versorg die Verwundeten.«
    Sein wässriger Blick lag kurz auf mir, bevor er mit seinem kleinen Mörser die Treppe hochstieg.
    Wenige Minuten später sollte ich ihn auf dem Absatz finden, mit offen klaffender Brust, Unmengen Blut flossen heraus, seine Augen aufgerissen vor Entsetzen. Sein Leben wurde davongespült. Vielleicht war er schon nicht mehr da, als ich meine Hand auf seine Wunde presste, und weil ich es nicht schaffte, sie zuzuhalten, legte ich mich mit meinem ganzen Körper auf ihn. Ich umarmte ihn verzweifelt, als könnte ich ihn damit auf die Seite der Lebenden zurückholen. Geh nicht, Juan, stirb nicht, brüllte ich ihn an. Tränen, Rotz und Blut, und Mikas strenge Stimme: Alle nach unten, es ist vorbei, schnell.
    Ich konnte mich nicht von Juan trennen. Man konnte ihn doch nicht dort liegen lassen, ich musste bei ihm bleiben.
    Mika musste den Maño und Pepe bitten, Emma notfalls mit Gewalt von Juan Laborda wegzuzerren und sie dann nach unten zu bringen, wo sie ihre Leute versammelte.
    »Seht ihr nicht, dass ich bei ihm bleiben will«, schrie Emma, außer sich. »Ihr könnt mich nicht zwingen mitzukommen!« Mit aller Kraft versuchte sie, sich dem Maño zu entwinden, aber er hatte sie fest im Griff.
    Mika kam herbei: Doch, ich zwinge dich mitzukommen, mein Kind.
    Sie hatte nur kurz dieses nasse Gesicht gestreichelt, da brach Emma in Schluchzen aus und klammerte sich an Mika. Aber sie konnte es sich nicht erlauben, bei ihr zu bleiben und sie zu trösten, darum schob sie sie sanft von sich weg.
    »Wir müssen jetzt gehen, Emma, reden können wir später.«
    Als Mika sich von ihr löste, blieben Emmas Arme in der Luft stehen, als umarmte sie das Nichts. Dazu ihr schmerzverzerrtes Gesicht. Es kostete Mika ungeheure Überwindung, ihr den Rücken zuzudrehen. Was machte dieses Kind hier, inmitten der Schrecken des Krieges? Sie gehörte nach Hause zu ihrer Mutter.
    Du warst in ihrem Alter, als du dich der Organisation Louise Michel angeschlossen hast. In Argentinien war kein Krieg, aber auch du wolltest die Welt verändern, genau wie Emma. Anarchistin und Freidenkerin hast du dich großspurig genannt. Das Leben füllte sich mit Kompromissen, Verantwortung. Und Hoffnungen. Als du deine erste Rede hieltest, mit fünfzehn, wurde dir klar, dass du die Fähigkeit besaßt, Ideen zu vermitteln und andere zum Handeln zu bewegen.

5. Kapitel
Sigüenza, Oktober 1936
    Die anderen fünfzehn, zwanzig Toten ließen wir ebenfalls zurück im Haus des POUM . Auch wenn der Gedanke niemandem gefiel, hörten wir am Ende doch auf die Befehlshaber in Madrid: Wir schlossen uns in der Kathedrale ein. Wir kamen als Letzte. Zwei Milizionäre machten uns die Tür gerade so weit auf, dass wir hineinschlüpfen konnten.
    In dem gewaltigen Kirchenschiff voller Gold und Statuen bilden wir Milizen der republikanischen Front eine Gemeinschaft mit Bauern, Frauen und Kindern. Wir sind siebenhundert, darunter zweihundert Zivilisten. Niederlage und Bitterkeit in den Gesichtern. Sogar die Chefin wirkt angegriffen,

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