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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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macht ihr Hippos Abwesenheit erträglicher. Oder sogar schöner, wie jetzt, da die Abenddämmerung sie hinauslockt, den kleinen Weg entlang bis auf die Wiese, belagert von Grillen und Fledermäusen, auf die Bäume will sie klettern, eins sein mit dem dichten Laub, sich in den Himmel aufschwingen. »So sehr vermisse ich Dich. So sehr.«
    Diese Briefe an Hippo, die ihr ganzes Tun begleiten und die Mika nicht nur auf Papier schreibt, sondern in ihrer Vorstellung, denn seit Jahren bespricht sie alles mit ihm.
    Nur eines teilt sie ihm nicht mit, noch nicht einmal in den Briefen, die sie ihm nicht schreibt, welche Angst ihr dieser enorme Fleck in Hippos Lunge macht. Jedes Mal wenn sie ihn nach den Untersuchungsergebnissen fragt, bemüht sie sich sehr, nichts durchblicken zu lassen von dieser Angst, die sie zerfrisst, dieser großen Sorge, denn auch wenn sie sieht, dass es ihm bessergeht, ist er noch nicht außer Gefahr.
    Vor ein paar Tagen hat Mika den Arzt zu einer Aussage gedrängt:
    »Ist er außer Gefahr, ja oder nein?«
    »Madame, ich bitte Sie, so einfach ist es nicht.«
    »Reden Sie offen mit mir.«
    »Nein, er ist nicht außer Gefahr. Am Mittwoch werden wir ihn röntgen, und dann sehen wir, ob sich etwas getan hat, seit er hier ist.«
    Mika hat ungeduldig Hippos Brief aufgerissen, die Zeilen auf der Suche nach dem Ergebnis der Untersuchung überflogen, aber er verlor kein Wort darüber, stattdessen, was Mirsky in seinem Essay über Lenin gesagt hat, den Witz, den er sich gegenüber dem sympathischen Bertau erlaubt hat. Mika antwortet ihm postwendend: Sie hat sehr gelacht über die Anekdote mit Bertau, und ja, was du über Mirskys Buch schreibst, ist sehr richtig, und übrigens, was ist eigentlich bei dem Röntgen herausgekommen?, du hast mir gar nichts darüber geschrieben.
    Im nächsten Brief, den sie gestern erhalten hat, erklärt Hippo ihr, dass sich an dem Fleck etwas verändert hat, oben und auf der linken Seite, aber um sicherzugehen, wird der Arzt noch eine zusätzliche Aufnahme machen, aus der Dreiviertelperspektive. Nächste Wochen wissen sie mehr.
    Eine ganze Woche! Und dabei kann sie ihn nicht wie sonst am Donnerstag besuchen kommen, ihre Ersparnisse sind aufgebraucht, bis sie die Übersetzung bezahlt bekommt, kann sie noch nicht einmal eine Busfahrkarte kaufen. Aber nächsten Sonntag nehmen die Baustins sie im Auto mit, das ist mit Marguerite schon verabredet.
    Nicht verzweifeln, erlegt sie sich auf. Hippo wird sich erholen, und in vier oder fünf Monaten werden sie, das haben seine Ärzte in Aussicht gestellt, wieder zusammen in ihrer roulotte sein, sagt sie sich immer wieder vor. Im November oder Dezember.
    Roulotte nennt sie die Mansarde, in die sie umgezogen ist, weil sie nicht größer als ein Wohnwagen ist. Zum Glück hat sie sie gefunden. Was für ein Erleichterung, im Jahr 1000 Franc zu zahlen und nicht 300 im Monat, die die Wohnung in der Rue Gay Lus-sac gekostet hat. Ein Zimmer mit Kochnische, allerdings ohne Gas oder Strom, und eine Dachluke in den Himmel, so schräg ist die Wand. Hippo mit seiner Größe wird die Luke öffnen müssen, um aufrecht zu stehen, dafür kann er die schöne Kuppel des Val-de-Grâce sehen. »Hauptsache, wir passen der Länge nach hinein, stehen ist nicht so wichtig«, schrieb Hippo ihr. Damit sie keine Platzangst bekommen, hat Mika Plakate von Stränden und Bergen an die Wände gehängt, Katja hat sie ihr in dem Reisebüro besorgt, in dem sie ein paar Wochen lang gearbeitet hat.
    Die Enge kann ein Vorteil sein, ein guter Vorwand, um keine Leute einzuladen, sie dazu zwingen, zu zweit zu sein. Die roulotte bietet nur Platz für sie beide. Sie brauchen unbedingt einen ruhigen Ort zum Leben, ohne Besuche und Versammlungen, ohne rücksichtslose Leute, die ihm ihren Zigarettenqualm zumuten. Das hätte sie niemals zulassen dürfen. Die Wut wischt ihre Angst fort, sie hat etwas, dem sie die Schuld geben kann, wie oft hat sie es ihm gesagt, aber immer nur murrend, anstatt drastisch einzuschreiten, wie sie es hätte tun müssen.
    Wenn sie nur nicht so eingeschränkt wären, er nicht so viel arbeiten würde, und vor allem, wenn man sie mehr in Ruhe lassen würde. Das wird sie ihm sagen, ohne seiner Krankheit allzu großes Gewicht zu geben, aber doch deutlich. Sie nimmt Bleistift und Papier und schreibt: »Man kann nicht arbeiten, wenn man zehn Besucher am Tag empfängt, ja, mein Lieber, wir müssen unbedingt darauf achten, dass wir unsere roulotte vor zu viel Trubel

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