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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Maschinengewehre. Die Männer warfen sich rasch auf den Boden, standen wieder auf und rannten. Stürzten. Verletzt? Tot? Marschierten weiter. Andere kamen zurück, zu Fuß, auf dem Bauch robbend.
    Hinter dem Schutzwall kauernd, der Blick verloren im Morgenrot, versuchte sie, in der Ferne die Gestalten ihrer Schützlinge auszumachen, die Beklemmung ein Messer in ihrer Brust, ohrenbetäubend das Krachen der einschlagenden Granaten.
    Wenige Meter von ihr brach der Chuni zusammen, das Gesicht blutüberströmt, Mika stürzte zu ihm: Sie haben mich nicht getötet, ich habe nur ein paar Kratzer, weinte er, aber Fuentes, ein Schuss hat ihm den Kopf zerfetzt, er ist neben mir gestorben, und der Rubio, und Lorenzo auch.
    José Luis und der Rodo kamen angerannt:
    »Das ist keine Schlacht, das ist ein Massaker. Man hat uns an sie ausgeliefert.«
    »Ich komme, um Verstärkung zu holen, damit wir die Verletzten bergen können«, bat der Rodo.
    »Tragen«, brachte Mika, an die nachrückenden Einheiten gerichtet, heraus.
    Die Maschinengewehre der Faschisten plärrten immer weiter, ausdauernd und tödlich. Immer mehr Männer trafen bei dem Schützengraben ein, viele von ihnen verwundet.
    »Hast du Corneta gesehen?«, fragte Mika Ramón.
    »Ja, er ist verwundet worden, weit weg.«
    »Ich werde den Jungen holen«, versprach der Rodo.
    Ein paar Meter weiter stand, still, sichtlich verstört, Kommandant Barros. Ein Mann kam auf ihn zu, sagte ihm, dass ein Anruf für ihn da ist. Man möge ihn kurz entschuldigen.
    Wenig später durchfuhr seine gellende Stimme den blutigen Morgen: Das Bataillon, das den Angriff begonnen hat, hat sich vorzeitig zurückgezogen, aber der Angriff ist nicht mehr aufzuhalten. Das Divisionskommando befiehlt, erneut auszurücken.
    Mika baute sich vor Barros auf, sie sprach ihn aus nächster Nähe an, deutlich, als würde sie die Wörter beißen: Da der Capitán gefallen ist, übernehme ich den Befehl, verkündete sie ihm, entweder rücken die Männer mit mir aus oder gar nicht.
    »Du rückst nicht aus, niemand rückt aus. Kämpfen, klar, Selbstmord, nein. Die da oben können uns am Arsch lecken«, brüllte der Chuni.
    Ein Chor an Vorwürfen erhob sich in den Morgenhimmel: Arschlöcher, Hurensöhne.
    »Wenn Sie gestatten, ich möchte mit einem Befehlshaber in Puerta de Hierro reden«, sagte Mika, um Fassung bemüht, zu Barros: »Ich werde ihm erklären, warum wir nicht noch einmal ausrücken, es sei denn, um die Verwundeten zu bergen.«
    Der Kommandant stimmte zu, auch er war fassungslos.
    War es an jenem Unglücksmorgen, Mika, nach den schrecklichen Verlusten in deiner Kompanie, als du im Hauptquartier der Division anriefst und ihnen diese Entscheidung mitteiltest? Damit stand fest, dass du ihre Capitana warst: Sie würden sich nie wieder sinnlos töten lassen.
    Am Telefon gab Cipriano Mera Mika sein Einverständnis, dass sie den Angriff nicht fortsetzen würden. Gleich würden sie bei ihnen sein: Beruhige deine Milizionäre, und beruhige dich.
    Mika zählte immer wieder ihre Männer durch. Wie viele waren nicht zurückgekehrt? Mehr als die Hälfte. Und niemand hatte Corneta gebracht.
    Um sieben bestätigte Cipriano Mera persönlich, dass man von der Operation Abstand genommen hatte, der Feind war gewarnt gewesen, was bewies, dass unter den republikanischen Streitkräften mindestens ein Faschist eingeschleust war. Gleich als sie ankamen …
    Sie hörte Mera nicht weiter zu, denn in dem Augenblick erblickte sie den Rodo und José Luis, die auf sie zukamen, und in Decken gewickelt, Corneta. Er lebte! Sie rannte zu ihm, ihr zog es das Herz zusammen, Tränen erstickten sie, als sie sein erlöschendes Gesicht sah, das strahlende Lächeln, das er ihr schenkte: Ich werde wieder gesund, Mika.
    Aber er starb ein paar Stunden später im Krankenhaus.
    »Er war erst fünfzehn Jahre alt«, mit diesem Satz, der deinen großen Schmerz erfasst, beschließt du deine Kriegserinnerungen. Schon als du zum ersten Mal über den Krieg schriebst, 1946 für die Zeitschrift Sur , war der Tod eines Kindes dein Thema. Ob sie Clavelín hießen, Corneta, Juanito, im Schmerz über ihren Tod lag der über die vielen anderen.
    Sie weinte untröstlich, schrie, als sie Corneta ins Krankenhaus brachten. Cipriano Mera kam herbei, legte Mika seinen Arm um die Schulter.
    »Komm, Kleines, du darfst weinen, so tapfer, wie du immer bist. Aber am Ende eben doch eine Frau.«
    Mika rückte von ihm ab, als hätte sie sich verbrannt, die Wut bot ihr Schutz vor

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