Die Capitana - Roman
Persönlichkeiten‹.«
Das ist mehr als ein hübscher Satz, eine große Wahrheit, Mika glaubt daran: Hippo hat sie zu der gemacht, die sie heute ist, sie beide haben sich über die Jahre gegenseitig geprägt. Und dann legt sie sich, die Arme weit geöffnet, aufs Bett, und ihre wortlose Einladung nimmt er voller Ergriffenheit an.
Am selben Abend, nach dem Omelette und dem frischen Salat (von der Liebe hatten sie einen Bärenhunger) skizzieren sie einen ersten Entwurf von dem Buch, das sie über die Tragödie der deutschen Arbeiterschaft schreiben werden.
Für Freitag sind sie mit André Ferrat verabredet, dem Genossen der Französischen Kommunistischen Partei, den sie bei den Rosmers kennengelernt haben. Seine Idee, um eine Zeitschrift herum eine Gruppe zu gründen, ist vielversprechend, und der Umstand, dass André als Chefredakteur mit L’Humanité eine Zeitschrift an der Partei vorbei herausgibt, notgedrungen heimlich, zeugt von großem Mut. Und von der Notwendigkeit, die Diskussion zu öffnen, nach allem, was in Deutschland passiert ist, Hippo findet, kein Kommunist, der sich selbst ernst nimmt, kann die Vorgaben der Komintern klaglos hinnehmen.
Wie anders sieht auf einmal alles aus, jetzt, da es eine Richtung gibt, einen Plan, da die Liebe ihn zur Besinnung gebracht hat, danke, Mikuscha, sagt Hippo, bevor er ihr den Gutenachtkuss gibt.
Wir hatten ernsthaft vor, das Buch über unsere Erfahrung in Berlin zu schreiben. Wir machten uns Notizen, redeten, dachten nach und entwarfen ein Inhaltsverzeichnis, das uns als Leitlinie dienen sollte. Während ich meine privaten Spanischstunden gab, damit wir etwas zu essen hatten, schrieb Hippo. Unter dem Pseudonym Juan Rústico veröffentlichte er im Herbst 1933 zwei Artikel in der von René Lefeuvre herausgegebenen Zeitschrift Masses . Sein Artikel war der erste, der in Frankreich erschien und sich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland auseinandersetzte, entsprechend groß war die Resonanz.
In diese Zeit fielen auch die ersten Treffen mit den Leuten, mit denen wir später die Gruppe um Que faire ins Leben rufen sollten, eine Zeitschrift für die gesamte Opposition, in der alle Kommunisten zu Wort kommen sollten, ob sie nun Mitglieder der Partei waren oder nicht, um ihre unterschiedlichen Positionen darzulegen.
In der Partei war kein Platz für Widerspruch, und obwohl man mit scharfen Disziplinarmaßnahmen und Parteiausschluss rechnen musste, wollte Que faire ein Forum sein für Meinungen, Einschätzungen und Kritik und so die Partei zu den Grundgedanken des Marxismus-Leninismus zurückführen. Auch wenn viele von uns – darunter ich selbst – diesem Vorhaben keine Chance gaben – soweit hatten wir den Stalinismus schon kennengelernt –, konnte man auf diesem Weg immerhin zu Genossen der Basis Kontakt aufnehmen, wie Jeanne Ferrat meinte, Andrés Frau, die nach wie vor Mitglied der Französischen Kommunistischen Partei war. Hier fanden sich auch Genossen wie Pierre Rimbert ein, die sich zuerst von der Kommunistischen Partei und dann von Trotzki abgekehrt hatten.
Fast alle waren damit einverstanden, dass wir unsere Artikel unter Pseudonym veröffentlichten. Es ging nicht darum, dass wir nicht unser Gesicht zeigen wollten, es war eine reine Vorsichtsmaßnahme. Und das würde uns beim Schreiben mehr Freiheit geben.
André Ferrat legte sich den Namen Marcel Bréval zu, der Pole Grigory Kagan, einer der Delegierten der Komintern, war Pierre Lenoir, und Hippolyte Etchebéhère firmierte unter Juan Rústico.
In der ersten Zeit hatten Hippo und André die Leitung inne, Kurt Landau, der mittlerweile auch in Paris war, stellte den Kontakt zu den deutschen und österreichischen Gruppen her, und Grigory Kagan zu den oppositionellen Gruppen in Polen.
Katja und Kurt, André und Jeanne, Pierre Rimbert, Charles Biron, Georgette Curat, Hippo und ich, unser Kreis wurde immer größer. Die Treffen in unserer Wohnung in der Rue Gay Lussac zogen sich bis spät in die Nacht.
Es war ein historischer Moment. In Paris trafen die Exilanten aus Nazideutschland, all die Polen, Österreicher und Deutschen, auf die international gesinnten Revolutionäre verschiedenster Herkunft: Spanier, Schweizer, Engländer, Nordamerikaner, der eine oder andere Südamerikaner. In unserer Überzeugung, dass die internationale kommunistische Arbeiterklasse nach der Niederlage in Deutschland eher bereit sein würde, den linken Oppositionellen Gehör zu schenken, setzten wir alle
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