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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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von seinen Kindern und seiner geliebten Frau, die er sehr vermisste. Und Mika sprach von Berlin, vom Aufstieg des Nationalsozialismus; und endlich konnte sie, nach sie weiß nicht wie langer Zeit, Hippos Namen aussprechen, Hipólito Etchebéhère, ihr Mann, und sogar ein paar Anekdoten beisteuern, eine sehr lustige aus ihrer Zeit in Patagonien und einen Gedanken von Hippo wiedergeben, den er im Hôpital Oise formuliert hatte, so hellsichtig, von heute aus gesehen. Aber der wundersamste Moment war, als Mika, sie wusste selbst nicht, welche verborgene Zuneigung sie dazu trieb, ihm in allen Details das malvenrote Kleid mit dem weiten Rock beschrieb, das Hippo ihr an einem Nachmittag in Paris gekauft hatte.
    Es tat sehr gut, einfach die ganze Nacht hier zu sitzen und zu erzählen, die Schatten zu beschwören, für ein paar Stunden dieses ach so heldenhafte Hundeleben, das sie an der Front auf sich nahmen, fernzuhalten. Aus dem Kommandanten wurde ein Freund fürs Leben, wie Freunde aus dem Krieg es sind.
    Es dämmerte bereits, als Mika mit Corneta die Küche betrat. Sie deckte ihn zu und legte sich auf ihren Strohsack. Diesen Morgen schlief sie tief. Die üblichen Granateneinschläge begannen am Nachmittag.
    Roger Klein besucht Kommandant Ojeda in seinem Häuschen an der Front. Wie verabredet werden sie zusammen die Schützengräben besichtigen. Das ist unüblich, aber Ojeda ist der französische Journalist sympathisch. Für seine Reportage soll er sich nur bei ihnen umsehen, und nicht bei dem berühmten 5. Regiment, der Mann gefällt ihm. Nach ein paar Minuten, Ojeda hat ihm gerade ein paar Dinge zur Front erklärt, kommt es zu einem Geschützeinschlag.
    Sie eilen zur Tür, Ojeda versucht herauszufinden, aus welcher Richtung das Krachen gekommen ist. Wie er befürchtet hat, es hat die Kolonne des POUM getroffen. Hoffentlich sind das nur Sticheleien des Feindes, ein Ablenkungsmanöver, denn sie haben derzeit weder die Männer – von ihnen ist die Mehrzahl krank – noch die Waffen, um einen ernsthaften Angriff abzuwehren. Und die Ablöse kommt erst morgen.
    Der Melder wird den Befehl von Kommandant Ojeda zur Capitana Etchebéhère bringen: Dauerfeuer so lange, bis der Feind aufgibt. Alles Gute.
    Aber wie wollen sie das ausführen, fragt sich Ojeda verzweifelt, mit dem verstopften Maschinengewehr, den selbstgebastelten Granaten? Vor wenigen Stunden hat er ihnen Schießpulver und Patronen für die Gewehre liefern lassen.
    Ohrenbetäubendes Krachen durchbricht den Nachmittag, wie schaffen sie es, solchen Radau zu machen? Der Kommandant lächelt: unschlagbar, die Capitana.
    Ein Granateneinschlag überraschte sie im hinteren Schützengraben. Ein Befehl war nicht nötig, sofort traten die Milizionäre den Rückzug an. Der sich senkende Abend loderte rot, blau, golden und grün. Die Sprengmeister in einer Linie, Granaten in der Hand.
    Ich gehe mit, sagte Corneta und rannte ihnen nach, bevor Mika den Mund aufmachen konnte.
    Als sie die Nachricht des Kommandanten bekam, gab Mika den Feuerbefehl. Sechs explodierten im Abstand von wenigen Sekunden, dann noch mal sechs, und noch mal. Das Pinienwäldchen flog auseinander wie ein einziger von einem Blitz gespaltener Stamm. Mit einer Schleuder beförderten sie mehrere Granaten auf einmal zu einem Sprenger, der dann aus der Nähe zielte. Das Dynamit, geworfen von den mutigen Milizionären, entfachte eine beeindruckende Feuersbrunst. Im feindlichen Schützengraben wurde es immer stiller, dann herrschte Ruhe. Aber zwölf weitere Milizionäre waren bei der Aktion gestorben.
    »Da sollen diese Arschlöcher noch einmal sagen, dass wir Verräter sind, die mit Franco unter einer Decke stecken, wir heizen ihnen doch mehr ein als alle anderen in diesen Tagen«, sagte der Chuni.
    »Jetzt kämpfen wir erst mal weiter, und dann erhängen wir sie alle. Am Arsch lecken können die mich«, konterte Ramón.
    Die Milizionäre waren an diesem Morgen außer sich gewesen, als sie in der stalinistischen Presse die Vorwürfe gegen den POUM gelesen hatten. Sie konnten es nicht glauben. Die kurze und erfolgreiche Schlacht hatte sie wieder munter gemacht.
    »Ich will nicht zurück nach Madrid«, sagte der Chuni, »und mir anhören, was dieses Pack über uns sagt.«
    Ich auch nicht, dachte Mika, aber sie schwieg.
    »Warum sagen sie, dass wir Verräter sind?«, fragte Corneta.
    Sie würde darum bitten, dass sie ihnen nur noch La batalla und La antorcha bringen sollten, die Zeitungen der Sozialisten und der CNT .

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