Die Cassini-Division
Biologin und
Statistikerin, das Zeug, ihren Forderungen Nachdruck zu
verleihen.
Ein schwarzer Pony umrahmte ihr Gesicht, dunkle Augen blitzten
daraus hervor. Sie saß neben Tatsuro, dessen
ungewöhnlich ungepflegtes Äußeres – sein
Kopfhaar, seine Augenbrauen und sein Schnurrbart standen ab, als
wären sie statisch aufgeladen – mit ihrer gepflegten
Erscheinung kontrastierte.
»Ellen May Ngwethu«, sagte sie, als wäre dies
die Bezeichnung einer besonders widerlichen Krankheit.
»Genossen, Freunde.« Sie bezog uns alle mit ihrem
Blick ein, der die Ekel erregende Diagnose anscheinend
bestätigte. »Ich grüße auch den verehrten
Nicht-Kooperateur Dr. Malley. Ich freue mich, Sie alle endlich
kennen zu lernen, und sei es auf diese große Distanz. Ganz besonders auf diese Distanz, sollte ich vielleicht
besser sagen. Ihre Energie und Ihr Tatendrang sind wirklich
erstaunlich. Wir vom Rat hatten keine Ahnung, dass Sie
solch kühne Unternehmungen geplant hatten. Sie haben nicht
nur einen Plan zur Vernichtung der Jupiteraner ausgearbeitet,
sondern sind gleichzeitig auch in Verhandlungen mit ihnen
eingetreten! Zweifellos wissen Sie bereits, wie zu verfahren ist,
wenn diese übermenschlichen Intelligenzen ihre Absichten
durchschauen und darauf entsprechend reagieren. Ich freue mich
schon auf den Moment, da Sie uns ihre todsichere, narrensichere
Strategie präsentieren werden, welche die Jupiteraner in
ihrem unberechenbaren Wüten davon abhalten soll, uns
auszulöschen. Bitte verderben Sie mir nicht die Spannung,
indem Sie mir jetzt schon alles erzählen – womit ich
nicht unterstellen will, dass dies bei Ihnen üblich
wäre.«
Sie hielt inne, legte die Handflächen zusammen und
stützte das Kinn auf die Fingerspitzen.
»Nun?«, sagte sie. »Ich habe mir die…
Erläuterungen der KK-Genossen angehört. Was haben Sie
dazu zu sagen?«
»Genossin… äh… Nachbarin Radiation
Nation Smith…«
»Nennen Sie mich einfach Mary-Lou«, säuselte
sie. »Oder Nachbarin Smith, wenn Ihnen das lieber ist.
Meine Mittelnamen sind bloße Beinamen – so wie Ihr
Nachname.«
Aus ihrer Sicht war dies vielleicht ein ironischer Hinweis auf
den Grund, weshalb ich den alten Slogan als Namen
ausgewählt hatte. Ngwethu! Freiheit! Wenn es um die
Umsetzung ging, genoss ich vielleicht tatsächlich mehr
Freiheit als sie. Ihr beißender Sarkasmus
verflüchtigte sich, während mir (peinlich zwar, aber so
war es nun mal) ein paar fast vergessene Takte der
einprägsamen Hymne Nkosi Sikele Afrika durch den Kopf
gingen.
»Okay, Mary-Lou«, erwiderte ich. »Wir von
der Division haben das Mandat, die Bedrohung durch die
Außenweltler einzudämmen und zu beseitigen, und genau
das tun wir. Mir ist seit langem klar, dass wir der Union
gegenüber würden Rechenschaft ablegen müssen und
dass vor der endgültigen Entscheidung erforderlichenfalls
eine weltweite Abstimmung durchgeführt werden müsste
– die Fragen, um die es geht, wurden eingehend diskutiert,
daher sollte das kein Problem sein.«
»Kein Problem«, wiederholte sie mit
vernichtender Gelassenheit. »Natürlich ist es
lediglich eine Frage der Funkstille und der strikten
Selbstdisziplin von Milliarden von Menschen, von denen viele
über Ihre Absichten, von Ihren bisherigen Aktionen ganz zu
schweigen, sicherlich entsetzt wären. Wissen Sie, ich
könnte mir beinahe vorstellen, dass dies gelingt,
wäre da nicht Ihre andere beeindruckende Heldentat. Aber es
hat Ihnen anscheinend nicht gereicht, mit den Jupiteranern in
Kontakt zu treten und gleichzeitig Feindseligkeiten gegen sie zu
eröffnen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Oh, nein. Zu allem
Überfluss schaffen Sie es auch noch – eine Stunde vor
meinem Eintreffen –, das Sol-System einer aggressiv
expandierenden kapitalistischen, das heißt, einer
anarcho-kapitalistischen Gesellschaft zu Öffnen. Ich bin
sicher, wenn Sie die Wahl gehabt hätten zwischen dem Neuen
Mars und einer lästigen dirigistischen Tyrannei mit
lästigen dirigistischen Tyrannen, mit denen wir zumindest
ein Erfolg versprechendes Abkommen hätten schließen
können, dann hätten Sie trotzdem den Neuen Mars
gewählt, und zwar aus bloßer wissenschaftlicher
Neugier, welche Anarchie die andere wohl zuerst unterwerfen
würde. Glauben Sie mir, Ihre Neugier könnte durchaus
gerechtfertigt sein… Dr. Malley!«
Malley zuckte zusammen (insofern das im freien Fall
überhaupt möglich ist), wie ein Schüler, der
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