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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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sämtliche Funksendungen innerhalb des Subsystems des Jupiter
und zwischen diesem und dem inneren Sonnensystem zu unterbinden,
ganz gleich, ob die Sendungen von den Jupiteranern, den
Neumarsianern oder den NiKos ausgehen.«
    Sie nahm wieder Platz. »Das ist alles«, sagte sie.
»Noch Fragen?«
    Alle schwiegen. Als ich rasch die Gesichter der anderen
Komiteemitglieder musterte, fiel mir auf, dass die meisten
anscheinend bloß erleichtert waren; bei Clarity und ein
paar anderen war es sogar mehr als Erleichterung. Während
sie verhalten lächelten, achtete ich darauf, mir keine
Regung anmerken zu lassen. Joe Lutterloh wirkte als Einziger
erbost, versuchte dies aber ebenfalls zu verbergen. Tatsuro
musterte mich ernst. Die Neigung seines Kopfes mochte die
Andeutung eines Nickens sein oder die unbewusste Unterwerfung
unter das Unvermeidliche. Mary-Lou hatte zwar keine unmittelbare
Macht über uns, vermochte uns das Leben jedoch schwer zu
machen. Gegen den expliziten Willen der Union oder den ihrer
autorisierten Delegierten konnte die Division nicht handeln, ohne
das Risiko eines unumkehrbaren Zerwürfnisses einzugehen. Und
wenn wir uns entzweiten, riskierten wir, dem Feind eine leichte
Beute zu werden.
    Nun, wenn sich die anderen hatten einschüchtern lassen,
für mich galt das nicht.
    »Was Sie da vorschlagen, ist riskant«, sagte ich.
»Wir sind ebenfalls einige Risiken eingegangen, das gebe
ich zu, aber wir hatten stets den Kometenschlag in der
Rückhand. Auf dieser Basis wäre es möglich, alle
Zugeständnisse an die Jupiteraner – und an die
Neumarsianer – wieder rückgängig zu machen. Jetzt
verlangen Sie, dass wir diese Waffe aus der Hand geben. Dann
stünden wir wehrlos da.«
    Smith sprang auf und beugte sich vor, die geballten
Fäuste auf die Tischplatte gestützt.
    »Ellen May Ngwethu!«, schrie sie. »Ich habe
genug von Ihrem Starrsinn! Ihre abwegigen Vorschläge stehen
mir bis oben! Wenn ich könnte…«
    Sie hielt inne, richtete sich auf, atmete tief durch. Sie
senkte kurz den Kopf und massierte sich die Schläfen, dann
sah sie lächelnd zur mir auf.
    »Entschuldigen Sie meinen Wutanfall, Nachbarin. Ich
verstehe besser als Sie selbst, in welcher Lage Sie sich
befinden. Sie blicken auf einen zweihundertjährigen Konflikt
zurück, auf zweihundert Jahre, in denen sich Ihre
persönlichen Aversionen in Hass verwandelt haben. Noch
länger war die Zeitspanne, in der die strengeren Aspekte des
wahren Wissens – seine dunkle Seite, wenn Sie so wollen
– die ihm innewohnende Wahrheit überlagert haben. Denn
die Wahrheit ist das Ganze, und indem Sie den Aspekt des
Kampfes über den der Zusammenarbeit stellten, haben Sie sie
in eine Lüge verwandelt. Wenn Sie sich nur selbst
sehen könnten – so wie ich, denn ich hatte Zeit genug,
mir die Aufzeichnungen der Komiteesitzungen anzusehen, die Sie
und Ihre Genossen uns geschickt haben –, Sie mit Ihrer
unnachgiebigen Aggressivität, Ihrer Uneinsichtigkeit gegenüber den vernünftigen Appellen vernünftiger
Wesen, sei es nun der Sprecher der Jupiteraner oder der
neumarsianische Gynoid, wenn man ihn denn als solchen bezeichnen
will… wenn Sie das alles sehen könnten, dann
würden Sie sich hoffentlich schämen.«
    Ich starrte sie erschüttert an. »Ich habe mich bei
meinem Handeln niemals von persönlicher Bosheit leiten
lassen, ich habe nichts getan, dessen ich mich
schämen müsste oder was gegen das wahre Wissen
verstoßen hätte.«
    Mary-Lou schüttelte langsam den Kopf. »Es gibt zwei
Seiten des wahren Wissens, doch die eine haben Sie ungeachtet
Ihres Namens vergessen. Es gibt nicht bloß amandla
– Macht. Es gibt auch ngwethu -
Freiheit.«
    »Das weiß ich«, erwiderte ich ruhig.
»Aber wir werden beide unsere letzte Chance verspielen, die
Jupiteraner zu vernichten, solange wir dazu noch in der Lage
sind!«
    Einen Moment lang taumelte Mary-Lou, als hätte ich sie
geschlagen. Dann sagte sie:
    »Also gut. Dann will ich mich mal ganz verständlich
ausdrücken. Wir verzichten nicht auf unsere letzte Chance,
die Jupiteraner zu vernichten. Diese Chance hat nie
bestanden. Ab dem Moment, da auf dem Jupiter eine stabile,
realitätsorientierte Kultur entstanden ist, bestand
keinerlei Aussicht mehr, sie zu vernichten. Das sind Wesen, deren evolutionäre Ahnen Ganymed pulverisiert und ein Loch
ins Raum-Zeit-Gefüge gemacht haben! Was glauben Sie, wie
viele Stunden es wohl dauern würde, bis sie eine

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