Die Cassini-Division
auf unserer
Flugbahn noch weit entfernt war, bildete das Teleskop –
übermittelt durch Linsen, Spiegel und Glasfaserkabel –
unser Ziel klar und deutlich ab: den regenbogenfarbenen Ring des
Tochterwurmlochs – wie seine Mutter eine Meile durchmessend
– und das funkelnde Durcheinander der drum herum wartenden
Schiffe. Unsere zehn Kampfraumer und Reids einen; unsere kleine
Relais-Drohne und Reids große.
Ich hantierte an den Reglern und schwenkte das Teleskop herum,
bis das vergrößerte Abbild des nächtlichen Ship
City und seiner Umgebung den Bildschirm ausfüllte.
»Okay, Genossen!«, rief ich und drehte mich wieder
herum. Mittlerweile hatten sich alle losgeschnallt und schwebten
auf dem Kommandodeck umher, froh darüber, dem Kapitalismus
entronnen zu sein und noch ein wenig Zeit zu haben, bis sie
unserem Sozialismus gegenüber würden Rechenschaft
ablegen müssen. Ich reckte grinsend den Daumen.
»Mission so weit erfüllt!«, verkündete
ich.
»Ach, ja?«, meinte Malley. »Und was haben
wir erreicht?«
»Eine ganze Menge«, antwortete ich. »Wir
haben bestätigt, dass die Neumarsianer tatsächlich das
sind, was sie zu sein scheinen, nämlich richtige Menschen,
auch wenn sie seltsame Vorstellungen darüber haben, was als
Mensch zu betrachten ist. Wir wissen nun, dass sie Gefahr laufen,
ihres Menschseins verlustig zu gehen, sollte Reid oder jemand
anders es wagen, die Schnelldenker wiederzubeleben. Und dank der
Berichte unserer reizenden anarchistischen Genossin Tamara haben
wir allen Grund zu der Annahme, dass sich die Schablonen der
Schnelldenker noch immer dort befinden, wo Reid sie
ursprünglich aufbewahrt hat – nämlich in dem
Gebirgszug, der als Madreporengebirge bezeichnet wird.«
Ich zeigte darauf und hielt inne, als ein viel hellerer
Pointer die Blicke auf sich zog: ein lang gestreckter Feuerball,
der beim Aufprall aufblitzte. Ein weiterer Einschlag folgte, dann
noch einer.
»Da sind sie«, sagte ich, während die anderen
scharf einatmeten. »In der Nähe des Auftreffpunkts der
Kometenfragmente, am Ende dieses langen Kanals, der zur Stadt
führt. Die genauen Koordinaten haben wir schon vor Jahren
den Datenfiles der künstlichen Frau Meg entnommen. Sobald
man uns oder einem der anderen Kampfraumer das Okay gibt,
können wir einen Atomsprengkopf in die
Höhlenmündung befördern und den ganzen Berg in die
Luft sprengen.«
»Sie haben Atomsprengköpfe an Bord?«, sagte
Malley empört.
»An Bord der Carbon Conscience«, antwortete
Boris. »Dieser Vogel hat ein Fünfzig-Megatonnen-Ei
dabei, Mann. Ein sauberer Laserfusionsjob, sollten Sie sich
Sorgen machen.«
»Dann bin ich ja beruhigt«, meinte Malley
sarkastisch. »Dann wird den Neumarsianern ja ein Licht
aufgehen, sollten sie noch Zweifel haben hinsichtlich Ihrer
Definition von Menschlichkeit.«
»Das allerdings«, meinte Boris nachdenklich.
»Nein!«, sagte ich schockiert. »Das werden
wir nicht tun!«
»Warum eigentlich nicht?« Malley kam
herbeigeschwebt, seine Stimme triefte von Sarkasmus. »Ihrer
Sichtweise zufolge würden Sie dabei keine Menschen töten.«
»Zu gefährlich«, erklärte ich.
»Hier ist die Lage anders als auf dem Jupiter, wo
verwundbare Wesen auf dem Grund einer Gravitationssenke leben. Es
käme zu einem massiven Ausbruch von Millionen exhumaner
Marionetten, die sogar weltraumresistent sind. Sollte es hier zu
einer weiteren Singularität kommen, müssen wir die
Beine in die Hand nehmen«, sagte ich.
»Und wohin sollten wir flüchten?«, fragte
Andrea.
»Durchs Wurmloch, wenn möglich«, antwortete
ich.
»Und wenn das nicht geht?« Malley schwebte
unmittelbar vor mir und hing an meinen Lippen. Ich schwenkte
lässig die Hand.
»Dann beschleunigen wir so lange, bis wir die
Hälfte der Reaktionsmasse verbraucht haben, legen Backups
an, wenn es unbedingt sein muss, und sobald wir einen
einigermaßen geeigneten Materieklumpen gefunden haben,
downloaden wir und brauchen den Rest der Reaktionsmasse beim
Bremsmanöver auf. Und dann…« Ich lächelte
in sein skeptisches Gesicht. »Dann begründen wir hier
ein hübsches kleines galaktisches Imperium aus eigenem
Recht. Mit Ihrer Schönheit und meiner Intelligenz,
Nachbar…«
Malleys Besorgnis machte schallendem Gelächter Platz.
»Und ich werde Sie… Eva nennen!«
»Die Urmutter«, sagte Suze und fasste Malley bei
der Hand.
»In den Tiefkühlspeichern lagern eine Menge gute
Gene«, meinte Boris.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher