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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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zu
schützen – und zwar sehr wirksame!«
    Yeng hob die Schultern. »Mag schon sein«, sagte
sie skeptisch. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie die
gegen bewusste – das heißt, gegen möglicherweise
bewusste – Wesenheiten etwas ausrichten sollten.«
    »Aber wir…« begann Dee. Sie blickte Reid
an, der die Achseln zuckte.
    »Sag’s ihnen ruhig«, meinte er.
»Früher oder später finden sie’s eh
heraus.«
    »Na gut«, meinte Dee. Sie erhob sich und stellte
sich vor uns hin, während Yeng wieder Platz nahm. »Ich
werd’s Ihnen sagen.« Ihr Tonfall und ihr
Gesichtsausdruck veränderten sich leicht, als
übernähme eine andere Persönlichkeit die
Kontrolle. »Das Bewusstsein – oder die Emulation von
Bewusstsein, wenn Sie so wollen« – sie lächelte,
als für einen Augenblick wieder ihr normales Ich die
Oberhand gewann – »ist anspruchsvoll. Ichbewusstheit beansprucht sehr viel Rechenkapazität, und
dieser Bedarf steigt mit der zu verarbeitenden Informationsmenge.
Das ist kein bloßer Nebeneffekt der gesteigerten
Komplexität, wie manche Leute früher geglaubt haben.
Man muss es herausarbeiten, entweder bewusst oder
unbewusst mittels natürlicher Auslese. Es ist durchaus
möglich, Hardware zu bauen, die mächtiger, und Software
zu programmieren, die komplexer ist als jedes existierende Gehirn
oder Bewusstsein: Rechenmaschinen, die nicht einmal so tun, als
ob sie über ein Bewusstsein verfügten, die keine
eigenen Interessen haben und sich nicht wehren, wenn man sie als
Werkzeuge benutzt.«
    Der Moment der Besessenheit ging vorüber, sie wurde
wieder sie selbst. Sie trat zu einer der Sitzbänke und
schlug beim Hinsetzen umsichtig den flatternden Saum ihres Rocks
unter die Kniekehlen. Ich lächelte sie an. Sie und Reid
hatten Recht: ganz gleich, was ich dachte, in meinem tiefsten
Innern war es mir unmöglich, mit ihr zusammen zu sein und
mich mit ihr zu unterhalten, ohne ihr einen Vertrauensvorschuss
einzuräumen, und ich konnte gar nicht anders, als so zu tun, als ob sie über eigenes Bewusstsein und ein Herz oder
eine Seele verfügte und nicht bloß den Anschein erweckte.
    Sie erwiderte mein Lächeln.
    »Und diese Werkzeuge«, fuhr Reid fort,
»haben wir. Deshalb sind wir zuversichtlich, dass wir auch
mit überlegenen Wesen von gleich zu gleich verhandeln
können. Wir sind in der Lage, unsere Macht so weit zu
verstärken, dass sie die ihre übertrifft. Wir besitzen
Golems, die es mit den Göttern aufnehmen können.«
Er drückte seine Zigarette aus und erhob sich.
»Produkte des ehrlichen kapitalistischen Wettbewerbs. Sie
sollten das irgendwann auch mal probieren.«
    Ich musste an die gewaltigen Rechenmaschinen denken, mit denen
wir die sozialistische Planung bewältigten und deren
Überschusskapazität in Jahrzehnten der Stabilität,
da immer mehr und mehr Entscheidungen lokal getroffen wurden und
nur noch die allgemeinsten, die die am häufigsten genutzten
Ressourcen betreffenden Entscheidungen global oder regional,
immer weiter zugenommen hatte. Ich dachte an die Anzüge aus
intelligenter Materie und an die heimische Cybernetik. Vielleicht
hatten auch wir schon lange Götter – oder Golems
– auf unserer Seite, deren Hilfe in Anspruch zu nehmen uns
bloß noch nicht eingefallen war.
    Diese Bemerkung auf der Zunge, wandte ich mich an Reid, doch
dann folgte ich seinem Blick mit den Augen und sah nun ebenfalls
durchs transparente Dach der Wartehalle den herabfallenden
Funken.
    *
    Endlich frei; endlich in freiem Fall! Es hatte Stunden
gedauert – erst stundenlanges Manövrieren und
Aneinanderkoppeln, unter Schwerkraft eine knifflige
Angelegenheit; dann hatte Suze eine halbe Stunde lang mit einem
von Reids Angestellten über unsere Schulden bei der
Gesellschaft für wechselseitigen Schutz verhandelt und eine
halbe Stunde mit der Flughafengesellschaft wegen der angeblich
erbrachten Dienstleistungen und der dafür geforderten
Bezahlung – und schließlich ein
fünfminütiger qualvoller Beschleunigungsschub, um rasch
in den Orbit zu gelangen. Reids letzte Worte hatten gelautet:
»Ich hoffe, wir sehen uns wieder.«
    »Ich auch«, hatte ich erwidert, obwohl ich mir
insgeheim das Gegenteil wünschte.
    Ich löste die Gurte, stieß mich von der Liege ab,
vollführte einen Freudensalto und landete unmittelbar vor
dem Vorausmonitor.
    Ich zog an den Griffen für die Grobeinstellung, justierte
die Feineinstellungsregler. Obwohl das Wurmloch

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