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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Fliege hockte, war im Begriff, das Wurmlochtor zu
durchfliegen. Die ganze Besatzung war an Bord und natürlich
auch Malley und Suze. Malley hatte trotz der Einwände
Tatsuros und einiger anderer darauf bestanden mitzufliegen.
Wessen Scheißtheorie ist das eigentlich, hatte er gefragt?
Wessen Namen trägt das Ding, hä? Suze konnte bessere
Gründe geltend machen: Wir brauchten sie, denn sie war die
Einzige, die ein Gefühl für die neumarsianische
Gesellschaft hatte.
    »Annäherungswinkel 1,274.066 Grad«,
verkündete Jaime.
    »Kurs bestätigt«, sagte Andrea.
»Entfernung vierzehn Komma sieben fünf Kilometer,
Relativgeschwindigkeit zweihundert Kilometer pro
Stunde.«
    »Alles klar!«
    Jetzt lag es an ihnen; an ihnen und am Bordrechner, der das
Schiff eigentlich flog. Trotzdem behalten sich die Menschen
aufgrund eines Impulses, der bis zum Wostok-Satelliten und dem
Mercury-Programm zurückreicht, in einem Raumschiff gern das
letzte Wort vor. Vielleicht ist das eine Illusion, vielleicht
wäre es besser, alles den Maschinen zu überlassen, aber
wenn man einmal anfängt, so zu denken, wo hört es dann
auf? Es hört nicht auf, und am Ende zählen nur noch die
Maschinen und nicht mehr die Menschen. Wahrscheinlich (dachte
ich, einen Zentimeter über der Beschleunigungsliege in den
Gurten schwebend und bemüht, nicht zu viel zu denken) genau
bei dem, was wir bekämpfen.
    »Zwölf Kilometer.«
    Während ich beobachtete, wie das Malley Mile über
mir auf dem Monitor immer größer wurde, hatte ich
nicht das Gefühl, viel im Griff zu haben. Wir stürzten
in ein Loch im Himmel hinein, und ich konnte nichts mehr daran
ändern.
    »Zehn Kilometer.«
    »Bereit zur Zündung der Triebwerke!«,
verkündete Andrea. »Noch drei Minuten.«
    Wir mussten mit Beschleunigung hindurchfliegen, hatte Malley
uns gesagt. Er hatte sich bemüht, uns den Grund zu
erklären, doch bei der vierten Gleichung hatten die meisten
von uns schlapp gemacht. Ich blickte zu ihm hinüber. Er lag
auf der Liege neben mir: So weit ich erkennen konnte, hatte er
die Augen fest geschlossen. Seine Lippen bewegten sich. Er drehte
den Kopf zu mir herum und schlug die Augen auf.
    »Ah«, flüsterte er, »Sie haben mich
ertappt.«
    »Wobei?«
    Er schloss für einen Moment die Augen, dann lächelte
er mich an. »Beim Beten.«
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie gläubig
sind.«
    »Bin ich eigentlich auch nicht«, sagte Malley. Er
blickte zu dem dräuenden Tor auf dem Bildschirm hoch.
»Aber man hat mir gesagt, Gott höre einem zu, ob man
nun glaubt oder nicht.«
    Dies war nicht der rechte Zeitpunkt für eine
philosophische Debatte. »Ja«, flüsterte ich.
»Das Gleiche behauptet auch Andrea von ihrer
Christophorus-Medaille.«
    »Ich hab’s gehört«, meinte Andrea.
»Glauben Sie ihr kein Wort. Ich mag zwar sentimental sein,
aber abergläubisch bin ich nicht.«
    Malley lächelte und entspannte sich ein wenig.
    »Ich habe Gott gesehen«, erklärte Boris auf
der Liege zu meiner Linken. »Am Himmel über
Brno.«
    »Du meinst, du hast eine Dosis veralteter
psychochemischer Hanseatenmunition abbekommen«, sagte ich.
»Bring nicht alles durcheinander.«
    »Ich weiß, was damals mit mir passiert ist«,
erwiderte Boris gelassen. »Und ich weiß, was ich
gesehen habe.«
    »Haltet mal die Klappe, ihr da hinten«, sagte
Andrea. »Zündung der Triebwerke in zehn Sekunden,
neun, acht…«
    Diesmal war die Beschleunigung ganz sanft und baute sich
allmählich zu einem halben Ge auf; das Wurmlochtor raste
trotzdem auf uns zu. Ehe ich einen Gedanken fassen und mich
fragen konnte, ob Malley wohl wieder betete, färbten sich
die Bildschirme kurzzeitig blau und wurden dann schwarz.
    »Ich schalte den Antrieb jetzt wieder aus«, sagte
Andrea. Das leichte Gewicht verschwand. Jaimes Stimme durchbrach
die plötzliche Stille.
    »War’s das?«
    Andrea klickte die Bildschirmanzeigen durch und zoomte auf die
rote Planetensichel, die wir bereits am Tag zuvor gesehen hatten
und die jetzt hunderttausend Kilometer von uns entfernt war.
    »Ja«, antwortete ich. »Das war’s. Wir
sind durch.«
    Jaime verglich die Sternkonstellationen mit den Daten des im
Navigationsrechner gespeicherten astronomischen Atlas. Die
Babbagemaschinen arbeiteten eine Weile, die Fixel flackerten;
dann berechnete das katalogisierte 3-D-Bild die Bewegungen der
Sterne und gelangte nach einigen Iterationen mit der
Außenansicht zur Deckung. Jaime las die Tankanzeige

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