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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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die sich in Richtung des Hauses streckten, als wollten sie nach ihr greifen. Und dann die Trauben! Wann waren sie so groß geworden? Ob sie schon schmeckten? Einen Moment lang war Isabelle versucht, zu einem der Weinstöcke zu gehen und eine Traube abzupflücken. Doch ihre Beine wollten ihr nicht gehorchen, und so blieb sie reglos in ihrem Korbstuhl sitzen. Sie wusste, dass sie etwas hätte empfinden müssen. Freudige Gefühle beim Anblick der Blumen. Scham angesichts ihres ungepflegten Äußeren. Dass Clara und Josefine bei ihrem Anblick erschrocken waren, hatte sie sehr wohl gesehen, auch wenn die beiden versuchten, ihre Bestürzung eiligst zu überspielen. Auch Hunger oder wenigstens ein bisschen Appetit hätte sie empfinden müssen angesichts des von Clara liebevoll gedeckten Tisches. Doch nichts. In ihrem Inneren war nach wie vor alles tot.
    Die Hausmauer in ihrem Rücken strahlte angenehm die gespeicherte Sonnenwärme ab. Zum zweiten Mal an diesem Tag fühlte sich Isabelle eingehüllt in eine liebevolle Umarmung, doch dieses Mal waren es nicht Claras Arme, sondern ihr Haus, das sie behütend umfing. Das Haus, das sie so sehr geliebt hatte, bevor es zu ihrem Gefängnis geworden war. Schon wieder schossen ihr Tränen in die Augen.
    Josefine und Clara, die gerade die Suppe verteilte, wechselten einen ebenso betroffenen wie hilflosen Blick.
    »Tut mir leid«, sagte Isabelle, nachdem sie sich endlich beruhigt hatte. »Ich weiß selbst nicht, was in mich gefahren ist.« Sie schniefte laut. Der neuerliche Weinkrampf hatte sie erschöpft, gleichzeitig fühlte sie sich jedoch auch ein wenig gelöster als zuvor. »Es ist bestimmt nur die Freude darüber, dass ihr gekommen seid«, sagte sie dumpf.
    »Jetzt entschuldige dich bloß nicht dafür, dass du weinst«, sagte Josefine. »Wenn ich daran denke, dass Leon nicht mehr unter uns ist …« Sie wandte sich ab. »Dabei kommen mir fast selbst die Tränen«, flüsterte sie mit rauer Stimme.
    Für einen langen Moment war nur das Surren der Zikaden in den nahe gelegenen Büschen zu hören.
    Es war Clara, die das Schweigen brach. »Wie ist es denn eigentlich passiert?«, fragte sie leise. »Deine Nachbarin, eine sehr reizende Frau übrigens, hat in ihrem Brief davon nichts geschrieben. Kannst du … Magst du darüber sprechen?«
    Warum sollte sie nicht darüber sprechen? Isabelle schloss die Augen und seufzte lang und tief auf. »Es geschah an dem Tag, an dem in Hautvillers ein Fest zu Ehren der Eisheiligen stattfand, die uns Winzer dieses Jahr verschont hatten. Ich bat Leon zu bleiben, er hatte in den Wochen zuvor schon einige Rennen erfolgreich absolviert. Aber er wollte unbedingt los nach …« Sie biss sich auf die Lippen. Wohin hatte er gewollt? Es mochte ihr nicht einfallen, und sie winkte ab. »Zwei Hunde sind ihm ins Rad gerannt, ausgerechnet auf einer steilen und schnellen Abfahrt. Er stürzte schwer, man brachte ihn ins Krankenhaus nach Épernay, wo die Ärzte eine Gehirnerschütterung feststellten.« Sachlich und ohne große innere Emotionen erzählte sie den Rest. »Er war schon auf dem Weg der Besserung, sollte am nächsten Tag heimkommen. Ich hatte schon alles für ihn vorbereitet – das Haus strahlte vor Sauberkeit, dazu Blumen, sein Lieblingsessen. Dann geschah es. Ein Blutgerinnsel im Kopf hat sich mitten in der Nacht gelöst und einen Hirnschlag verursacht. Es gab keine Rettung …« Noch während sie sprach, spürte sie, wie die Kälte, die sich damals im Krankenhaus wie Frost auf ihre Haut gelegt hatte, aufs Neue herankroch.
    Clara nahm schweigend ihre Hand und hielt sie fest. Die Kälte wich zurück.
    »Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich habe Durst«, sagte Josefine und zog die Weinflasche aus dem Sektkühler. »Da Clara kein Wasser, dafür aber Wein aus der Küche mitgebracht hat – wollen wir die Flasche öffnen?«
    »Das ist kein Wein, das ist Guenin-Champagner«, sagte Isabelle, als sie das Flaschenetikett sah.
    Sofort stellte Josefine die Flasche zurück in den Kühler. »Verzeihung, ich wusste nicht …«
    Isabelle lächelte matt. »Ist schon in Ordnung. Hier in Frankreich wird Champagner zu jeder Zeit getrunken, nicht nur an Festtagen wie bei uns in Deutschland. Sogar bei Leons Leichenschmaus wurde Champagner ausgeschenkt. Micheline wäre bestimmt enttäuscht, wenn ihr ihr Gastgeschenk verschmäht.« Aufmunternd nickte sie Josefine zu, woraufhin diese sich erneut an der Flasche zu schaffen machte.
    Bald ertönte ein lautes »Plopp«, und

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