Die Champagnerkönigin
großen Betrieb wie dem meinen reicht ein Assistent leider nicht aus.« Sie streifte den pickligen Jüngling mit einem mitleidvollen Blick.
Die Amerikaner nickten ehrfürchtig. »Auch bei uns in Amerika hat es sich schon herumgesprochen, dass in der Champagne die Damen das Sagen haben – mehr noch, es heißt, die Witwen machten den besten Champagner von allen.«
Isabelle senkte bescheiden den Blick. »Ich möchte nicht übertreiben, aber unsere Kundschaft im Mittleren Westen Amerikas hat sich noch nie über unseren Wein beklagt, ganz im Gegenteil, sie wollen immer noch mehr! Aber woher nehmen?« Sie zuckte hilflos mit den Schultern. »Das Angebot an Champagner ist begrenzt und wird es immer bleiben. Leider hatte ich allerdings in diesem Jahr nicht die Möglichkeit, meine amerikanischen Geschäftsbeziehungen so zu pflegen, wie ich es mir gewünscht hätte. Sonst stünde ich nicht hier.«
»Madame Feininger trauerte sehr lange um ihren Mann«, ergänzte Josefine. »Nur deshalb hat sie überhaupt Restbestände anzubieten.«
Die drei Amerikaner tauschten freudige Blicke.
Nachdem der Assistent endlich die Probegläser gefüllt hatte, nickte Isabelle den drei Geschäftsmännern wohlwollend zu.
»Sie dürfen nun kosten!« Neben sich hörte sie Clara leise kichern. Sie versetzte ihr einen kleinen Stoß in die Rippen, dann hielt sie die Luft an. Würde ihr Champagner schmecken? Sie musste nicht lange auf eine Antwort warten.
»Exzellent!«
»Famos!«
»Süffig und süß wie die Liebe …« Der mittlere der drei Geschäftsmänner strahlte. »So stelle ich mir einen wahrhaft großen Champagner vor! Davon mag man gern ein zweites Glas trinken.«
»Oder drei oder vier«, sagte sein Nebenmann und führte das Glas erneut an den Mund.
»Hier wurde wahrlich nicht an Zucker gespart. Einfach köstlich, diese Süße.«
»Dazu Maispuffer und gebratenes Hühnchen …«
»Oder ein saftiges Steak …«
Der Assistent, der mit hängenden Armen neben dem Tisch stand, leckte sich durstig die Lippen.
Isabelle ließ ihren angehaltenen Atem in einem Stoß hinaus, woraufhin ihr so schwindlig wurde, dass sie sich an der Tischkante festhalten musste. Sogleich war der picklige Assistent zur Stelle. »Madame – ist Ihnen nicht gut?«
Das ist nur die Erleichterung, dachte Isabelle, dann ließ sie sich auf den Stuhl fallen, den Josefine für sie heranzog.
»Die Witwe Feininger hat schwere Zeiten hinter sich«, richtete Clara, die kein Englisch sprach, in ihrem Schulfranzösisch das Wort an die besorgt dreinblickenden Amerikaner. »Wir erwähnten ja schon, dass ihr Mann im Frühjahr überraschend gestorben ist –« Sie brach ab und biss sich auf die Lippen.
Der Wortführer der Geschäftsleute schaute Isabelle verständnisvoll an. »Unter diesen Umständen betrachten wir es als noch größere Ehre, dass Sie heute hier erschienen sind, Madame Feininger. Allem Anschein nach hielten das ja die wenigsten Champagnerwinzer für nötig«, fügte er mit einem ärgerlichen Kopfschütteln hinzu. »Aber wen interessiert schon ein Moët & Chandon, wenn man einen Feininger haben kann? Ihr Champagner wird den Geschmack unserer Südstaaten-Schönheiten und Gentlemen perfekt treffen!«
Seine Nebenmänner murmelten ihre Zustimmung, woraufhin sich der Wortführer räusperte.
»Liebe veuve Feininger, ich möchte Ihre Zeit nicht übermäßig lange in Anspruch nehmen, deshalb frage ich Sie ganz direkt: Wie viele Flaschen Champagner dürften wir Ihnen denn abkaufen und zu welchem Preis?«
28. Kapitel
Obwohl sie noch keinen Tropfen Alkohol zu sich genommen hatten, waren die Frauen trunken. Trunken vor Glück.
»Zehntausend Flaschen – mir wird allein von der Zahl schwindlig!« Clara lachte hysterisch.
»Das ist das Geschäft des Jahrhunderts!«, rief Josefine.
»Es könnte wirklich meine Rettung sein«, seufzte Isabelle. Tränen der Erleichterung liefen ihr übers Gesicht, sie wischte sie mit dem Ärmel ihres Kleides fort. Tief in ihrem Innern spürte sie, wie sich der Deckel, mit dem sie ihre Gefühle monatelang so strikt unter Verschluss gehalten hatte, ein wenig lockerte. Gab es doch noch Hoffnung für sie und ihr verwirktes Leben?
»Könnte? Das ist deine Rettung! Hör zu, nach diesem Deal bist du eine reiche Frau.« Josefine strahlte, als wäre ein Eimer mit Goldmünzen über ihr ausgeschüttet worden.
»Ab jetzt geht es nur noch aufwärts«, bestätigte Clara.
»Ihr seid wirklich die besten Freundinnen der Welt. Danke, danke, danke!«
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