Die Champagnerkönigin
Eulen nach Athen tragen?«
Isabelle lachte laut auf. »Wenn’s nur so wäre! Raymond schickt mir immer nur die erlesensten Tropfen. Davon ist der Feininger leider Klassen entfernt …« Sie hielt eine der Flaschen so, dass Josefine und Clara das Etikett sehen konnten.
»Millésime Bollinger … Aha«, sagte Josefine stirnrunzelnd.
Isabelle lächelte geheimnisvoll. »Heute bekommt ihr das Beste ins Glas, was die Champagne zu bieten hat!«
»Riecht ihr die Vanille? Und den Hauch von Lindenblüten?« Genießerisch hielt Isabelle ihre Nase übers Glas, dann nahm sie einen großen Schluck des Bollingers. »Und dazu dieser Geschmack einer frisch gebackenen Brioche …« Sie seufzte schwärmerisch auf.
»Jetzt, wo du’s sagst – der Champagner schmeckt tatsächlich ein wenig nach Hefegebäck«, stimmte Clara ihr erstaunt zu. »Aber wie kann das sein?«
»Das kommt von der Hefe, auf der der Champagner gelagert wurde, sie hinterlässt mehr oder weniger starke geschmackliche Spuren«, erklärte Isabelle. Mit geschlossenen Augen ließ sie einen weiteren Schluck der kühlen, goldgelben Flüssigkeit ihre Kehle hinabrinnen. Er war einfach nur köstlich!
»Jeder Champagner besteht im Grunde aus denselben Ingredienzen, es sind die drei Traubensorten Chardonnay, Pinot Meunier und Pinot Noir. Dazu kommt höchstens noch ein bisschen Zucker. Also sollte man meinen, jeder Champagner schmeckt gleich, nicht wahr?«
Josefine, die bisher gar nichts gesagt hatte, nickte.
Isabelle lächelte. Es tat gut, der schlauen Freundin einmal bei einem Thema voraus zu sein. »Dass dem nicht so ist, ist der Kunst des Kellermeisters zu verdanken. Er entscheidet, in welchem Verhältnis die drei Traubensorten zueinander gesetzt werden, wie lange die erste und die zweite Gärung andauern und wie viel Hefe bei der zweiten Gärung zugesetzt wird. Der Kellermeister entscheidet auch, wie viele Jahrgänge er für eine Cuvée verwendet, manchmal mischt er bis zu fünfzig unterschiedliche Weine miteinander, könnt ihr euch das vorstellen?«
Beide schüttelten den Kopf. Clara betrachtete das Glas in ihrer Hand fast ehrfurchtsvoll.
»Die einzige Bedingung bei einer Cuvée ist die, dass alle Weine aus der Champagne stammen müssen«, fuhr Isabelle fort. »Manche Leute nennen den Verschnitt der Weine auch ›Vermählung‹, was ich schöner finde.«
»Hör mal, du kennst dich ja richtig gut aus«, sagte Josefine und versetzte Isabelle einen kleinen Schubs.
»Du bist eine richtige Kennerin der Materie, Kompliment!«, sagte auch Clara, und Bewunderung schwang in ihrer Stimme mit. »Und dabei bist du doch noch nicht einmal ein Jahr hier.«
Isabelle zuckte mit den Schultern. »Champagner interessiert mich eben. Und deshalb versuche ich, so viel wie möglich über seine Herstellung zu lernen.« Wie hohl ihre Worte klangen. Wie nichtssagend. Das, was sie tief in ihrem Innersten für die Champagnerherstellung verspürte, war viel leidenschaftlicher, umfassender. Doch es gelang ihr nicht, dieses Gefühl in Worte zu fassen.
Für einen langen Moment schwiegen die drei Freundinnen.
»Und nun?«, fragte Josefine irgendwann und schaute Isabelle an. »Wie soll es nun weitergehen?«
Isabelle stellte ihr leeres Glas geräuschvoll auf dem Tisch ab. Dann machte sie sich daran, die zweite Flasche Champagner aus dem Geschenkkorb von Raymond Dupont zu öffnen. Sie würde dem Mann für all seine Aufmerksamkeiten während der letzten Monate eine Dankeskarte schicken, beschloss sie. Wie unhöflich von ihr, dies bisher versäumt zu haben.
Während sie an den Champagnerhändler dachte, erinnerte sie sich gleichzeitig an das Gefühl von Geborgenheit, das sie in seiner Gegenwart stets verspürt hatte. Raymond Dupont wusste so viel, war so versiert, bewegte sich in den besten Kreisen – vielleicht würde er ihr ein guter Ratgeber sein, wenn es um ihre Zukunft ging?
»Nun, als Allererstes muss ich den Versand der amerikanischen Bestellung gut über die Bühne bringen. Und danach heißt es, die Ernte zu bewältigen und Käufer für meine Trauben zu finden.« Noch vor wenigen Wochen hätte Panik sie überfallen, wenn sie an die Zukunft auch nur gedacht hätte, geschweige denn, so konkret darüber gesprochen hätte! Und nun schmiedete sie tatsächlich erste Pläne, dachte Isabelle verwundert.
»Und was ist mit dem Angebot dieser Winzerin, von der Micheline uns erzählt hat? Diese Madame Trubert will doch anscheinend auf Teufel komm raus dein Weingut kaufen«, sagte Josefine
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