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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Épernay, mussten sie sich nicht lange zu ihrem Ziel durchfragen. Ein großes Schild, auf dem das Oval einer Rennbahn prangte, wies ihnen gleich zu Beginn des Ortes den Weg zum dortigen Radsportverein. Ein gutes Zeichen. Bitte, lieber Gott, lass dort ein paar Männer ihre Runden drehen. Und bitte, mach, dass sie Zeit haben und gewillt sind, mir aus der Patsche zu helfen!, betete sie inbrünstig, während Claude die Kutsche vor dem Eingangsportal zum Stehen brachte.
    Das Glück war auf ihrer Seite. Der Vorsitzende des Radsportvereins, der Isabelle bei Leons Beerdigung sein Beileid ausgesprochen hatte, war anwesend – er erinnerte sich sofort an Leons Witwe. Freundlich geleitete er Isabelle in das kleine Vereinsheim, wo er ihr als Erstes ein Glas Wasser einschenkte. Dann wies er eine ältere Frau hinter der Theke an, einen Imbiss für sie zuzubereiten. Isabelle nahm dankend an und bat darum, dass man Claude, der bei den Pferden wartete, auch etwas bringt.
    »Was haben Sie auf dem Herzen? Wie können wir Ihnen helfen?«, wollte dann der Vorsitzende des Vereins, ein großgewachsener hagerer Mann um die fünfzig, wissen.
    Während Isabelle, die es eigentlich hasste, jemanden um Hilfe bitten zu müssen, stockend ihr Anliegen vortrug, gesellten sich immer mehr Radfahrer zu ihnen an den Tisch. Vielleicht fühlten sich die Männer von Charleville geschmeichelt, dass sie so weit gefahren war, um sie aufzusuchen. Vielleicht hatte es auch mit ihrem mitleiderregenden Aussehen – oder mit ihrem Schwangerschaftsbauch – zu tun, dass die Männer ihr so aufmerksam und teilnahmsvoll zuhörten.
    »Natürlich würde ich für Ihre Arbeit zahlen. Und jeder Pflücker bekommt pro Tag eine Flasche Champagner. Ob er sie trinkt, verkauft oder mit nach Hause nimmt, ist jedem selbst überlassen«, sagte Isabelle lächelnd, während sie Blickkontakt mit jedem Einzelnen suchte. Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als der Vorsitzende in die Runde schaute und sagte: »Leon Feininger war ein Mann von großem Sportsgeist. Da ist es doch selbstverständlich, dass wir seiner Witwe helfen, nicht wahr, Männer?«
    Zustimmendes Gemurmel war zu hören.
    »Ich bin zwar Lehrer, aber wenn mir jemand zeigt, wie man Trauben erntet, bekomme ich das sicher hin. Wie gut, dass wir gerade Herbstferien haben«, sagte der Mann, der Isabelle direkt gegenübersaß.
    »Auf Ferien könnte ich gut verzichten«, schnaubte sein Nebenmann. »Seit mein Chef mich entlassen hat, habe ich immer Ferien, dafür aber kein Geld. Ein paar Centimes würde ich mir gern dazuverdienen.«
    »Ich auch!«, rief sein Gegenüber. »Dann kann ich mir früher das neue Rad leisten und dich endlich auch auf der Bahn schlagen.«
    Die Männer lachten.
    »Trauben zu pflücken ist nicht schwierig«, sagte einer der älteren Fahrer, den die anderen mit dem Namen Yves ansprachen. »Früher haben mein Bruder und ich jedes Jahr bei der Ernte in den Weinbergen von Verwandten in Bordeaux geholfen. Wenn ich Luc frage, ist der bestimmt auch dabei.«
    Schon begannen die Männer über ihre Anreise – natürlich mit dem Rad – zu sprechen. Sie hatten nichts dagegen, in der Scheune ihr Lager herzurichten. »Nach einem Tag Arbeit in den Weinbergen ist man so müde, dass man sogar im Stehen schlafen könnte«, sagte Yves.
    Der Vorsitzende grinste zufrieden, als er sagte: »So, wie es aussieht, können Sie mit zwanzig bis fünfundzwanzig Männern rechnen. Wann und wo sollen wir erscheinen?«
    Nachdem sich die Pferde einigermaßen erholt hatten, fuhren Isabelle und Claude nach Hautvillers zurück. Natürlich wäre es besser gewesen, den Tieren eine Nacht Ruhe zu gönnen, doch vor der Ankunft der Helfer gab es noch einiges zu tun.
    Der nächste Morgen war trocken, und es versprach wieder ein schöner Tag zu werden – ohne besondere Hitze oder die drohende Gefahr eines Gewitters. Besseres Wetter konnte man sich für die Traubenernte nicht wünschen.
    »Ein Rebstock wird von unten nach oben abgeerntet, und das mit sehr viel Gefühl«, erklärte Gustave Grosse fast dreißig Radfahrern aus Charleville, die ihn am Fuße des Weinbergs umringten. Jeder hatte eine Tasse dampfenden Kaffees in der Hand, manch einer kaute ein Stück Baguette, das Isabelle mit Käse belegt hatte. Dass die Männer schon vor der Arbeit ein gutes Frühstück bekamen, war unabdingbar, hatte Claude ihr erklärt.
    Trotz allem hatte sie die ganze Nacht gebangt, ob die Männer Wort halten und erscheinen würden. Seit Sonnenaufgang hatte sie immer

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