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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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wieder aus dem Fenster hinaus ins Tal gestarrt. Als sie dann endlich die Armada an Fahrrädern erblickte, die sich den Berg nach Hautvillers hinaufschob, war sie so erleichtert gewesen, dass sie fast losgeheult hätte.
    »Das vergesse ich Ihnen nie«, hatte sie dem Vorsitzenden des Radvereins bei der Begrüßung tränenerstickt zugehaucht, doch er winkte nur ab. » Kein Problem, Madame. Wir Radfahrer helfen uns gegenseitig in der Not, dafür kann man auch schon einmal mitten in der Nacht aufbrechen.«
    »Keinesfalls dürft ihr die Trauben zu sehr drücken oder verletzen, denn dann beginnt sofort die Fermentierung, und das wäre ein Drama. Wenn die Schale zerstört wird, verfärbt sie außerdem den Traubensaft dunkel – auch das muss unter allen Umständen vermieden werden. Faule Trauben oder solche, die noch nicht reif sind, werft ihr gleich auf den Boden, nicht in den Korb, habt ihr verstanden?«
    Die Männer nickten. Die eine Hälfte war von Claude Bertrand mit Rebscheren und kleinen Holzkörben ausgestattet worden. Die andere Hälfte stand mit leeren Händen daneben, sie würden als porteur arbeiten und hatten die Aufgabe, den Pflückern die vollen Körbe abzunehmen, ihnen leere zu reichen und dann die geernteten Trauben vorsichtig in die großen Körbe, die Mannequins , zu kippen. Nach ein paar Stunden würden sich die Männer bei ihren jeweiligen Aufgaben abwechseln. Gustave Grosse und Claude Bertrand würden dafür sorgen, dass dieses System funktionierte.
    »Wir beginnen mit diesem Weinberg, hier wachsen Pinot-Meunier-Trauben. Ihre Haut ist zwar nicht ganz so zart wie die der Chardonnay-Trauben, dennoch wollen auch sie mit großer Sorgfalt behandelt werden. Stellt euch einfach vor, ihr haltet gläserne Trauben in der Hand«, sagte Isabelle, die dieses Wissen aus einem von Jacques’ schlauen Büchern hatte. Gustave Grosse warf ihr einen erstaunten und nicht sehr erfreuten Blick zu, den sie ignorierte. Sie klatschte in die Hände und sagte: »Dann wollen wir mal – auf eine gute Ernte!«
    Isabelle konnte sich nicht daran erinnern, dass ihr jemals etwas so viel Spaß gemacht hatte wie das Ernten der Trauben. In einem alten Kleid, die wilden Locken mit einem Kopftuch gebändigt, die Ärmel bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt, stand sie zwischen den Männern und arbeitete mit, so gut es ihr Bauch zuließ. Das Schneiden mit den Rebscheren ging leicht von der Hand, war aber anstrengender, als sie gedacht hatte. Die abgeschnittenen Trauben lagen schwer in ihren Händen, der Saft rann ihr über die Finger, so dass ihre Hände sowie die Rebschere bald unangenehm klebrig waren. Trotzdem füllte sich ihr kleiner Holzkorb so rasch, dass ihr porteur Mühe hatte, bei ihrem Tempo mitzuhalten.
    Nach zwei Stunden sah sie Claude Bertrand auf sich zukommen.
    »Ich möchte Sie nur ungern bei der Arbeit stören, Madame«, sagte ihr Verwalter schmunzelnd. »Aber die Männer erwarten ein herzhaftes Mittagessen, vielleicht sollten Sie sich besser darum kümmern.«
    Betroffen ließ Isabelle ihre Schere sinken. Du lieber Himmel, daran hatte sie gar nicht mehr gedacht!
    In ihrer Küche angekommen, faltete sie hektisch Claras letzten Brief auf. Sie hatte die Freundin um Rezepte für große Mengen Speisen gebeten, und Clara hatte ihr diese gleich nach ihrer Rückkehr nach Berlin zugesandt.
    Liebste Freundin,
    die Zeit auf Deinem Weingut ist für mich unvergesslich, täglich denke ich an unser Wiedersehen zurück. Nun hat mich der Ber­liner Alltag wieder. Und Du steckst, wenn Du diese Zeilen liest, sicher mitten in der Traubenernte. Es ist schön, wieder zu Hause zu sein. Aber ach, wie gern wäre ich auch bei Dir! Ich würde für euch alle kochen und Dir abends ein Fußbad machen, um Deine schmerzenden Füße zu pflegen und …
    Hastig überflog Isabelle die liebgemeinten, aber im Augenblick nicht sehr hilfreichen Zeilen. Auf der Rückseite des Briefes fand sie, wonach sie gesucht hatte.
    Das Stichwort, wenn Du für viele Leute kochen musst, lautet Kartoffeln !, hatte Clara in ihrer feinen Schrift geschrieben, wobei sie das Wort Kartoffeln dick unterstrichen hatte. Denn sie sättigen am besten von allen Lebensmitteln. Koche gleich frühmorgens in Deinen größten Töpfen so viele Kartoffeln wie möglich, daraus kannst Du dann ganz unterschiedliche Gerichte zaubern.
    Von wegen »gleich frühmorgens« – viel zu spät war sie dran! Isabelle biss sich sorgenvoll auf die Lippe, während sie Töpfe eine Handbreit voll mit Wasser füllte.

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