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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Stundenlohn, mehr können Sie von mir nicht erwarten, nachdem Sie mich so schändlich im Stich gelassen haben. Aber ich lege gern noch eine Flasche Wein für jeden Arbeiter pro Tag drauf. Hört sich das gut an?« Herausfordernd schaute sie in die Runde und bekam zustimmendes Gemurmel zur Antwort.
    Sie klatschte in die Hände. »Also, worauf warten wir noch? An die Arbeit!«
    »Rebscheren bekommt ihr von mir, Körbe auch«, fügte Claude Bertrand grimmig hinzu. »Und dass eins klar ist: Ich will euch bei der Arbeit singen hören, habt ihr mich verstanden?«
    Die Männer und Frauen nickten, während ihr Anführer abfällig auf den Boden spuckte.
    »Was hatte denn diese letzte Bemerkung zu bedeuten?«, fragte Isabelle, während sich die neuen Pflücker gemeinsam mit den Radfahrern auf den Weg in Richtung Weinberge machten.
    Claude grinste. »Bei uns heißt es › Wer singt, stopft sich keine Trauben in den Mund‹. Nicht, dass wir uns Sorgen machen müssten – die Leute können bestimmt schon keine Trauben mehr sehen, ich wollte bloß Àlvarez ein bisschen ärgern.«

33. Kapitel
    So viel wie in diesen Tagen mussten die zwei Pferde des Weingutes das ganze Jahr über nicht schuften. Mit tief nach unten gebeugten Köpfen legten sie sich ins Zaumzeug und karrten einen randvoll beladenen Wagen nach dem anderen von den Weinbergen hin­über zum Pressenhaus. Dort, wo die Lederriemen auflagen, war das Fell der Pferde dunkel verfärbt vom Schweiß, der die Mücken anzog. Die Köpfe gegen das lästige Insektenvieh schüttelnd, ging es dann zurück in die Weinberge, wo bereits die nächste Ladung Trauben wartete. Obwohl Àlvarez’ Männer und Frauen schon eine ganze Ernte in den Knochen stecken hatten, legten sie sich für Isabelle nochmals ins Zeug. Die Radfahrer, angestachelt von den fleißigen Wanderarbeitern, verschärften ihrerseits ihr Tempo. Und so konnte man zusehen, wie sich Rebzeile für Rebzeile leerte.
    Vor dem Pressenhaus wurden die Körbe abgeladen und ihr Inhalt nach kurzer Sichtkontrolle durch den Kellermeister in die Öffnung der Presse geschüttet, deren Aufnahmebehälter bis zu viertausend Kilo Trauben auf einmal fasste. War dieses Maß, das man Marc nannte, erreicht, postierten sich sieben Mann rund um das Rad, das, wenn es gedreht wurde, den mouton , einen schweren Deckel, auf die Trauben senkte und dadurch deren Saft auspresste. Dabei musste man vorsichtig vorgehen, denn es war nicht gewünscht, dass sich die rote Farbe der Traubenschalen mit dem Saft vermengte. Dieser sollte so hell und klar wie möglich fließen. Ein Kilo Trauben ergab später etwas mehr als eine Flasche Champagner. Isabelle wurde ganz schwindlig beim Gedanken daran, was für ein Schatz, welch unendlicher Reichtum hier durch das Pressenhaus floss.
    Dank Jacques’ Büchern wusste sie über die Abläufe beim Pressen gut Bescheid: Am wertvollsten waren die ersten zweitausend Liter Saft, die gewonnen wurden. Die ersten tausend Liter davon wurden première cuvée genannt. Die nächsten sechshundert Liter hießen deuxième cuvée , die vierhundert Liter danach troisième cuvée . Diese zweitausend Liter feinster Traubensaft waren die Basis für die wertvollsten Champagner. Bei jeder weiteren Pressung kam das Fruchtfleisch der roten Trauben stärker mit der Schale in Berührung, der Saft bekam dadurch eine rötliche Färbung und verlor außerdem an Aroma. Auch daraus ließen sich noch ganz passable Champagner herstellen, doch sie waren we­niger elegant und vollmundig als die aus der ersten Pressung. Naturgemäß wurde jede Pressung in einem separaten Gefäß aufbewahrt.
    So viel sich Isabelle auch an Wissen angelesen hatte – kein noch so kluges Buch hatte sie auf die fieberhafte Stimmung vorbereitet, die in diesen Tagen im Pressenhaus herrschte und von der sie sich wie magisch angezogen fühlte. Jede Nacht, wenn sie ihre Pflichten als Köchin und Hausherrin hinter sich hatte, ging sie zum Pres­senhaus und postierte sich am Eingang – immer bemüht, niemandem in die Quere zu kommen und dadurch die komplizierten Handlungsabläufe zu stören. Sogleich schlug ihr der einzigartige Geruch nach Traubensaft, Vergorenem und Schweiß entgegen, sie saugte ihn gierig auf, bedeutete er doch die Grundlage für ihre gesicherte Zukunft und ihr großes Ziel, einen eigenen Champagner zu kreieren. Staunend und ein wenig beklommen zugleich beobachtete sie dann das nur scheinbare Durcheinander, das in Wahrheit ein perfektes Zusammenspiel vieler geübter

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