Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
Hände war.
    Unter der Aufsicht von Gustave Grosse arbeiteten die Männer Tag und Nacht in zwei Schichten. Den Aufnahmebehälter füllen, pressen, die an den Rändern klebenden Trauben mit einem Holzschaber wieder in die Mitte schaufeln, dann erneutes Pressen – neben Traubensaft rann den Männern der Schweiß in Strömen am Körper hinab.
    Es war, als ob zwei völlig fremde Welten nebeneinander existierten: Je länger die Ernte andauerte, desto langsamer wurden die Bewegungen der Arbeiter in den Weinbergen. Gesprochen wurde nicht mehr viel, inzwischen war jeder perfekt auf den anderen eingestimmt. Zum Singen oder gar zum Streiten waren die Männer und Frauen inzwischen auch zu müde.
    Im Pressenhaus hingegen wurde die Stimmung mit jedem Tag angespannter. Ein falsches Wort, ein kleiner Schubser, und schon konnte ein Streit losgehen, der jedoch vom Kellermeister oder den Kameraden im Keim erstickt wurde. Die Zeit war dafür viel zu kostbar. Doch Eile allein reichte für die Arbeit auch nicht aus, es war vielmehr höchste Konzentration gefragt: Jede Traubensorte, jede Pressung musste in separate Behältnisse – cuves de débourbage – gepumpt werden, die einen Keller tiefer lagerten. Dort sollte der Traubenmost zur Ruhe kommen, dort wurden auch Störfaktoren wie Stiele, Schalenreste, Trübstoffe und Insekten herausgefischt. Erst danach wurde der Most durch das komplizierte Rohrsystem zur weiteren Lagerung in einen anderen Keller gepumpt, und zwar in Fässer, in denen er die erste Fermentation erlebte. In Isabelles Augen war dies einer der heikelsten Momente von allen. Wehe, jemand war nicht bei der Sache und vergaß die Beschriftung eines Fasses! Und nicht auszudenken, wenn zwei Sorten Trauben fälschlicherweise miteinander gemischt wurden. Einmal wäre es fast dazu gekommen, Isabelle hatte nicht schlecht gestaunt, als Gustave Grosse, dem sonst alles gleichgültig zu sein schien, angesichts der Schlamperei geradezu zum wilden Stier wurde. Am liebsten hätte sie selbst alles überwacht, doch da dies nicht möglich war, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihrem Kellermeister und seinen Helfern zu vertrauen.
    Von einem kurzen und harmlosen Gewitterregen abgesehen hielt das Wetter. Bald sahen die Rebstöcke zerfleddert aus wie Vögel nach der Mauser, die Erntehelfer in ihren verdreckten Kitteln gaben auch keinen besseren Anblick ab. Doch irgendwann war der letzte Rebstock abgeerntet, und all die Fässer, die das Jahr über in den weitläufigen Kellern des Weinguts leerstanden, waren gut gefüllt mit frischem Traubensaft.
    Körperlich völlig erschöpft, aber sehr glücklich stand Isabelle nach zwei Wochen Erntezeit am Fuß ihrer Weinberge und kämpfte gegen den Kloß an, der in ihrer Kehle immer größer wurde. »Leon«, flüsterte sie, den Blick gen Himmel gerichtet. »Ob du es glaubst oder nicht – wir haben es geschafft!«
    Ein großes Fest am Ende der Ernte sei unumgänglich, hatte Claude Bertrand Isabelle erklärt. Gutes Essen, Wein und Musik, denn natürlich wollten die Männer und Frauen auch das Tanzbein schwingen. Isabelle hatte ihren Verwalter nur angelächelt. Längst hatte sie neben ihrer alltäglichen Arbeit alles für ein solches Fest vorbereitet und sich dabei nicht lumpen lassen. Schließlich war das ihr Dank an alle, die ihr geholfen hatten!
    Ihre Gartenterrasse war ausgeleuchtet wie eine Theaterbühne: Auf den langen Holztischen flackerten unzählige weiße Kerzen, der Vollmond warf einen großzügigen Streifen silbrigen Lichtes dazu. Kleine Sträuße von Lavendel und Rosen verströmten in der warmen Septembernacht ihren süßen Duft, er mischte sich mit dem würzigen Aroma des Spanferkels, das seit den frühen Morgenstunden am Spieß vor sich hin brutzelte. Die von Isabelle zubereiteten Salate, Kartoffelgerichte und Gemüseplatten waren nicht nur ein Augenschmaus, sondern schmeckten allen so gut, dass sich Platte für Platte rasch leerte. Ein paar von Àlvarez’ Männern spielten Gitarre und Geige, es wurde gesungen, gelacht und geschmaust und getrunken.
    Mit glänzenden Augen saß Isabelle neben Claude an einem der Tische und genoss die einzigartige Stimmung. Der andere Platz neben ihr war für Gustave Grosse reserviert. Er und die Männer aus dem Pressenhaus waren noch mit den letzten Handgriffen beschäftigt, würden aber demnächst zu ihnen stoßen und mitfeiern. Die Nacht war lang, niemand dachte an diesem letzten Abend der Ernte ans Schlafengehen.
    »Dieses Abschlussfest hätte Leon auch

Weitere Kostenlose Bücher