Die Champagnerkönigin
Frauen nicht bezahlen können? Auch das konnte er sich nicht vorstellen, sie besaß doch das Geld aus dem Champagnerverkauf an die Amerikaner.
Henriettes Mundwinkel hoben sich zu einem hämischen Lächeln. »Das Beste kommt noch: Es ist mir gelungen, die Leute für den Leblanc-Weinberg und all die anderen, die ich im letzten Jahr aufgekauft habe, zu gewinnen. Jeder Mensch ist käuflich – das ist schon lange meine Überzeugung, und sie hat sich wieder einmal bestätigt. Für ein paar Centimes und eine Flasche Wein mehr am Tag waren die Leute gleich zu haben«, ergänzte sie verächtlich. Mit gespieltem Erstaunen fuhr sie dann fort: »Sag bloß, dir ist entgangen, dass wir fünfzig Mann mehr als sonst beschäftigen!« Sie schüttelte tadelnd den Kopf.
Daniel, der die Pflücker zwar anheuerte, aber danach deren Aufsicht an seinen besten Vorarbeiter übergab, schaute Henriette ungläubig an. »Sie haben Isabelle Feiningers Pflücker abgeworben?«
»Wenn Blicke töten könnten …«, gurrte Henriette und wich übertrieben ängstlich vor ihm zurück. »Nun hab dich nicht so, mein Lieber. Hättest du in Troyes deine Aufgabe so erledigt, wie ich sie dir aufgetragen hatte, hätte ich gar nicht mehr ins Geschehen eingreifen müssen und das Feininger-Land würde längst mir gehören.«
»Was bist du nur für eine gierige alte Schlange«, murmelte er, und es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte vor ihr auf den Boden gespuckt. Und für so jemanden riss er sich im Pressenhaus Tag und Nacht zwei Beine aus!
»Eine Schlange, die bekommt, was sie will«, sagte Henriette schadenfroh, dann wandte sie sich ab. »Das Essen wird kalt, also beweg dich!«
Am liebsten wäre er auf der Stelle umgekehrt, stattdessen folgte er seiner Chefin schweigend in die leergeräumte Lagerhalle, die für die Zeit der Ernte zum Speisesaal für die Arbeiter umfunktioniert worden war. Der Appetit war ihm zwar gründlich vergangen, doch er wollte sich etwas – oder besser gesagt jemand – anderes zur Brust nehmen.
Es dauerte nicht lange, bis er herausfand, welcher Clan der fahrenden Leute für Isabelle hätte arbeiten sollen. Als er erfuhr, dass es der von Pedro Garcia Àlvarez war, wunderte ihn das nicht. Der Vorarbeiter, zu dessen katalanischer Sippe um die fünfzig Männer und Frauen gehörten, war dafür bekannt, dass er von seinen Arbeitgebern stets höhere Löhne verlangte, als er letzten Endes an seine Leute weitergab. Da es die wenigsten Winzer kümmerte, wohin ihr gutes Geld floss, solange die Arbeit gut erledigt wurde, konnte Àlvarez seelenruhig in die eigene Tasche wirtschaften, ohne dass sich dies bisher unter seinen Leuten herumgesprochen hätte. Ebenso war bekannt, dass der gutaussehende Spanier ein Casanova und vor ihm kein Rock sicher war. Daniel fragte sich, in welchem Haus in Hautvillers dieses Mal im kommenden März ein Kind mit tiefschwarzen Augen und ebenso schwarzem Lockenhaar geboren werden würde … Die eifersüchtige Maria Gonzalez Àlvarez ahnte zwar etwas von der Umtriebigkeit ihres Mannes, sie hatte ihn allerdings bisher nicht in flagranti erwischt. So wie Pedro Garcia Àlvarez seine Leute in Bezug auf den Lohn zum Dummen hielt, führte er auch seine Frau hinters Licht.
Daniel hatte bisher so gut wie nichts mit dem Mann zu schaffen gehabt und dessen Tun lediglich aus der Distanz beobachtet. Doch damit war es nun vorbei.
Der Spanier saß an einem der besten Tische, direkt neben der Essenausgabe. Während die Teller der meisten Pflücker schon längst leer waren und die Männer und Frauen sich anschickten, zu ihrer anstrengenden Arbeit zurückzukehren, gönnte sich Àlvarez einen Nachschlag. Als er Daniel auf sich zukommen sah, hielt er kurz inne, aß dann jedoch seelenruhig weiter.
Daniel baute sich breitbeinig vor dem Mann auf. »Ich hab mit dir zu reden, jetzt sofort.« Er nickte in Richtung Hallentor.
»Und wenn ich nichts mit dir zu reden habe, Monsieur?«, antwortete Àlvarez träge.
»Kein Problem«, sagte Daniel mit einem Schulterzucken. »Ich kann auch gleich mit deinen Leuten sprechen. Bestimmt wird es sie interessieren, wie geschickt du die Gehälter für sie aushandelst.« Er bedeutete den Leuten mit einer Handbewegung, noch zu bleiben.
Maria Gonzalez Àlvarez schaute ihren Mann fragend an.
»Ist etwas nicht in Ordnung?«, wollte ein anderer wissen.
Unruhe kam auf.
»Wenn du weißt, was gut für dich ist, kommst du jetzt auf der Stelle mit«, raunte Daniel Àlvarez zu. Der Spanier folgte ihm ohne
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