Die Champagnerkönigin
Und sie hatte sich so viel auf ihr gutes Französisch eingebildet, dachte sie entmutigt, während der Champagnerhändler einen großen Schluck nahm.
»Daniel meint, ich solle diesen Champagner für die Jahrhundertfeierlichkeiten anbieten. Einen Rosé mit einer leichten Vanillenote, dazu einem Hauch von Erdbeere und …«
»… Noten eines leichten Biskuitsoufflés mit etwas Zitronenabrieb«, ergänzte Raymond. Er und Isabelle lachten verschwörerisch.
Clara schüttelte staunend den Kopf. Wie konnte man nur aus einem Schluck dieses Getränks so viel herausschmecken? Und dabei hatten die beiden auch noch dasselbe Gaumenerlebnis – Clara war das schleierhaft. Während die anderen weiter über Duft, Farbe und Geschmack fachsimpelten, schaute sie sich unauffällig in Raymond Duponts Salon um. Dunkelgrüne Seidentapete bedeckte die Wände, die goldgerahmten Graphiken, die allesamt Jagdszenen zeigten, sorgten dafür, dass der Raum nicht zu düster wirkte. Von der Decke hing ein Kronleuchter, dessen Durchmesser mindestens zwei Meter betrug, sein Behang bestand aus vielen verschiedenen Lüsterteilen: Tropfen, Perlen, Kugeln, Prismen … Die Möbel waren allesamt aus einem warmen Birnenholz und reichhaltig mit Intarsien verziert.
Was für ein unermesslicher Reichtum, und dennoch wirkte alles so unaufdringlich. Raymond war kein Mann, der wichtigtuerisch tat oder prahlend daherredete, im Gegensatz zu gewissen anderen Herrschaften schien er so etwas nicht nötig zu haben.
Clara seufzte. Selbst wenn Gerhard von früh bis Mitternacht in seiner Praxis stehen und Patientinnen behandeln würde und sie sämtliche Geschäfte Berlins nach schönen Dingen durchforsten würde – nie würden sie genügend Geld und guten Geschmack haben, um solch ein Ergebnis zu erzielen. Gerhard würde grün werden vor Neid, wenn er all das hier sehen könnte, dachte Clara und bedauerte fast, ihren Mann nicht an ihrer Seite zu haben.
»Ich denke, mit diesem Champagner könnten Sie den europäischen Markt durchaus erobern«, sagte Raymond, nachdem er noch einen Schluck getrunken hatte. »Ein Champagner, von dem man gern ein Glas mehr trinkt – genau richtig für das große Fest des bevorstehenden Jahrhundertwechsels, vorausgesetzt, man hat die richtigen Kunden dafür.«
»Der Jahrhundertwind-Champagner«, entfuhr es Clara auf Deutsch, noch ehe sie die Worte zurückhalten konnte.
Raymond Dupont runzelte die Stirn.
» Champagne de vent de siècle «, wiederholte Isabelle auf Französisch. »Ein kleines Wortspiel, das meine Freundinnen und ich einst erfunden haben.« Sie legte den Kopf schräg. »Ob das wohl ein geeigneter Name für meinen Champagner wäre? Es heißt doch immer, bei der Vermarktung müsse man auch einmal neue Wege gehen.«
Raymond Dupont nickte. »Das schon, aber ganz so kompliziert sollte der Name nicht sein. Außerdem – was hat ein Wind mit diesem zauberhaften Rosé zu tun?« Er hob das Glas ins Licht des Kronleuchters. »Falls Sie mir eine persönliche Bemerkung erlauben, verehrte Madame Feininger – mich erinnert die Farbe an den Rotton Ihrer Haare. Er hat etwas Weibliches, Zartes an sich, ohne dabei kraftlos zu wirken.«
»Genau das hat Daniel auch gesagt!«, rief Isabelle verblüfft.
Clara sah, wie der Weinhändler daraufhin fast unmerklich die Stirn runzelte. Aha, er war eifersüchtig. Auf den Kellermeister. Noch eine Erkenntnis.
Dass ihr Gastgeber ein Auge auf Isabelle geworfen hatte – dieser Gedanke war ihr schon bei ihrem letzten Besuch gekommen, damals, nach Leons Tod. So viele Genesungswünsche, Pralinen und Champagnergrüße versandte man nicht ohne Grund. Allem Anschein nach bekam Isabelle von dem Werben des Mannes jedoch nichts mit. Dabei wollte sie immer so weltgewandt sein! Clara schmunzelte.
»Was würden Sie denn davon halten, diese ungewöhnliche Farbe auch im Namen Ihres neuen Champagners auftauchen zu lassen? Rougette Feininger – das hätte doch einen wunderbaren Klang.«
»Rougette Feininger …« Isabelle schaute angestrengt von ihrem Gegenüber zu dem Glas in ihrer Hand und dann wieder zurück. Ihre Augen leuchteten, als sie sagte: »Dieser Name ist perfekt! Raymond, Sie sind wirklich ein Schatz!«
Einen Moment lang dachte Clara, die Freundin würde aufstehen und ihn küssen. Er jedenfalls schien dies zu erwarten, so wie seine Augen glänzten. Doch Isabelle hangelte lediglich über den Tisch hinweg nach Claras Hand. »Meine Liebe, was sagst du dazu?«
»Ein wunderschöner Name«, sagte Clara
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