Die Champagnerkönigin
Rennbahn führte. Fröhlich plaudernd machte sich auch der Rest der Gruppe auf den Weg.
»Und, liebe Witwe Feininger, wie gefällt Ihnen unser Wien?«, fragte Gottlieb Bauer, dem am Stephansplatz eines der berühmtesten und elegantesten Restaurants der Stadt gehörte.
»Es ist wunderschön!« Während Isabelle die Sehenswürdigkeiten der Stadt aufzählte, die sie bisher gesehen hatte, staunte sie wieder einmal darüber, welche herausragenden Persönlichkeiten Raymond zu seinen Geschäftskontakten zählen konnte. Die meisten waren Hoflieferanten der kaiserlich-königlichen Monarchie, aber auch Adlige wie die Gräfin Esterhazy, die jedem Restaurant, jedem Geschäft, jedem Theater allein durch ihre Anwesenheit strahlenden Glanz verliehen, zählte Raymond zu seinen Geschäftsfreunden. Wenn eine Gräfin Esterhazy eine Vorliebe für ein Getränk oder eine Speise äußerte, tat der jeweilige Geschäftsmann gut daran, diese in großen Mengen auf Lager zu haben, denn bald darauf würde halb Wien ihr nacheifern wollen.
»Ich bin so glücklich, diese schönen Tage in Wien erleben zu dürfen«, endete Isabelle.
»Und Wien ist stolz und glücklich, die schöne und berühmte Witwe Feininger als Gast zu haben«, entgegnete Gottlieb Bauer. »Darf ich bitten?« Galant hielt er die Tür des Rennbahncafés für sie auf.
Unter viel Gelächter nahm die Runde an einem sonnenbeschienenen Tisch am Fenster Platz. Kleine Rosenbuketts schmückten den Tisch, der mit weißem Damast, Nymphenburger Porzellan und Silber eingedeckt worden war. Zwei Champagnerkühler standen parat – Isabelle wunderte es nicht, Feininger Veuve Rougette darin zu sehen, denn Raymond hatte den Besitzer des Cafés schon im Vorfeld genauestens über seine Wünsche informiert. Ihr Begleiter war ein Perfektionist, nicht mehr und nicht weniger.
Natürlich hätte Raymond jeden Kunden auch in seinem jeweiligen Geschäft aufsuchen können. Er hätte sich an einem Tisch niederlassen, eine Angebotsliste zücken und einen Champagner nach dem anderen vorstellen können. Die Wiener wussten, dass Raymond Dupont nur beste Qualitäten im Angebot hatte. Zugegeben, vielleicht hätte der eine oder andere ein wenig geknausert, hätte statt einem Dutzend Kisten nur ein halbes Dutzend bestellt. Raymonds Auftragsbuch hätte sich aber bestimmt auch auf diese Art gefüllt.
Doch der Händler aus Reims verkaufte Champagner auf eine viel elegantere, unaufdringlichere Art, das hatte Isabelle schon in München, ihrem ersten Aufenthaltsort, beobachten können. Seine Kunst bestand nämlich darin, die Kunden aus ihrer üblichen Umgebung herauszuholen, ihnen etwas Besonderes zu bieten und darauf zu setzen, dass sich dann die Champagnerlaune, die beim Bestellen großer Mengen hilfreich war, von selbst einstellte. Ein Besuch auf der Rennbahn mochte für viele Wiener nichts Außergewöhnliches sein, doch für diese Damen und Herren, die gefangen waren in einem starren Korsett aus gesellschaftlichen Konventionen und geschäftlichen Terminen, war Raymonds Einladung ein aufregendes Abenteuer. Dass man bei diesen Einladungen so gut wie nie auf den Champagner selbst zu sprechen kam, hatte Isabelle anfangs mehr als verwirrt. Sie lächelte in sich hinein, als sie an ihren ersten »Geschäftstermin« in München zurückdachte.
Stundenlang hatten sie mit der Inhaberin – wie sie eine Witwe – des größten Münchner Delikatessenhauses im Englischen Garten gesessen, Weißbier aus großen Glashumpen getrunken und sich über die Zucht von Königspudeln unterhalten, dem Steckenpferd der Unternehmerin. Ein besonders stattliches Exemplar, eine cremefarbene Hündin, saß während des ganzen Gesprächs daneben und lauschte hingebungsvoll, als verstünde sie jedes Wort. Mit jedem Zuchtrüden, über den die Frau schwärmte, war Isabelle unruhiger geworden. Beim Frühstück hatte Raymond noch großspurig erwähnt, dass er mit einer Bestellung von tausendzweihundert Flaschen Feininger-Champagner rechnete – wann, verflixt noch mal, würde die Rede endlich aufs Geschäft kommen? Da hatte sie sich sorgfältig eine Rede zurechtgelegt über die ehrgeizigen Ziele, die ihr Kellermeister und sie gemeinsam verfolgten, und nun wollte niemand etwas davon wissen.
»Ihre Erfolge bei der Zucht haben sich natürlich längst weit über München hinaus herumgesprochen«, sagte Raymond, nachdem sich die Dame ausführlich über ihren letzten Wurf Welpen ausgelassen hatte. »Ich selbst liebe Hunde ebenfalls über alles, auch
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