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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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in den Koffern zu verstauen. Es sieht aus wie bei einem Abschied für immer, dachte sie stirnrunzelnd, als der Gurt des letzten Koffers endlich geschlossen war.
    Der zweite Mai war ein verhangener Tag, der ebenso gut in den November gepasst hätte, wäre da nicht das frühlingsgrüne Laub der Weinreben und Bäume gewesen. Nebel hing über den Weinbergen und wollte sich nicht lichten, die Temperaturen kletterten kaum über zehn Grad. Während sich Isabelle frisierte, brannte eine Gaslaterne, weil sonst das Licht zu knapp gewesen wäre. In ihr Reisekostüm gekleidet, warf sie ihrem ernsten Spiegelbild einen letzten Blick zu, bevor sie das Schlafzimmer verließ. Sie sah aus, als stünde ihr das Schafott bevor und nicht eine schöne Reise, dachte sie. Doch ein Lächeln wollte ihr nicht gelingen. Ihr Schritt war schwer, als sie die Treppe hinabstieg.
    »Alles in Ordnung?«, fragte sie Lucille, die ein Liedchen vor sich hin summend in der Küche stand und Kohlrabi für ihr Mittagessen schälte. Die Frage war so unnötig wie ein Sonnenschirm an diesem Tag, denn Margerite schlief selig in ihrer Wiege am Fenster.
    Lucille lächelte verständnisvoll. »Sobald Margerite aufgewacht ist, werde ich Wasser warm machen und sie baden. Das gefällt unserem Liebling immer besonders gut. Machen Sie sich keine Sorgen, Madame, ich passe so gut auf sie auf, als wäre es mein Aug­apfel!«
    Keine Sorgen machen, das war leichter gesagt als getan. Isabelle machte sich seufzend auf den Weg zu den Weinbergen. Es war an der Zeit, Daniel adieu zu sagen.
    Sie hatte die ersten Rebzeilen noch nicht erreicht, als ihr Micheline entgegenkam, oder besser gesagt, entgegenrannte.
    »Micheline …«, hob Isabelle erfreut an, doch die ältere Frau winkte ab, ohne ihren Schritt zu verlangsamen. »Keine Zeit, Isabelle, keine Zeit, ich muss rasch Nachschub holen …!«
    »Nachschub?« Stirnrunzelnd schaute Isabelle ihrer Freundin hinterher. Auch sie hasste Abschiede. Dennoch – ein kurzes Adieu konnte man sich doch abringen, oder etwa nicht?
    Als sie ihren Kellermeister endlich zwischen den Weinreben entdeckte, wurden die Sorgenfalten auf ihrer Stirn noch tiefer. In ­einen grauen Schutzanzug gekleidet, stand Daniel inmitten der zartbelaubten Rebstöcke und besprühte diese mit einer seltsam ausschauenden Flüssigkeit. Neben ihm standen etliche Blechkanister, die vermutlich ebenjene Flüssigkeit beinhalteten. Er war so in seine Arbeit vertieft, dass er ihr Kommen nicht bemerkte.
    »Daniel! Was um alles in der Welt machst du da?«
    Erschrocken zuckte er zusammen. Im nächsten Moment stellte er das Sprühgerät auf den Boden und kam auf sie zu.
    »Isabelle …« Er schien nicht sonderlich erfreut zu sein, sie zu sehen.
    »Was tust du da?«, wiederholte Isabelle. »Und was ist mit Micheline los? Sie rannte gerade an mir vorbei, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her.«
    Daniel seufzte tief, während sein Blick von den Kanistern zu ihr wanderte. »Ach Isabelle, so kurz vor deiner Abreise hätte ich dich gern vor schlechten Nachrichten bewahrt.«
    »Welche schlechten Nachrichten?«, fragte Isabelle erschrocken.
    »Micheline hat gestern Abend in ihrem nördlichen Weinberg auf den Unterseiten der jungen Blätter Gallen entdeckt. Das sind kleine braune Auswüchse, die dort nicht hingehören.«
    »Ja und?«, fragte Isabelle leicht ungeduldig. Ein paar Verfärbungen an den Weinblättern waren doch sicher kein Weltuntergang.
    »Das bedeutet, dass die Reblaus nach Hautvillers zurückgekehrt ist. Vor einigen Jahren hatten wir schon einmal einen Befall mit diesem Schädling, allerdings kamen wir damals recht glimpflich davon. Wie es dieses Jahr aussieht, weiß nur der liebe Gott.«
    Isabelle sog die Luft ein. »Aber … warum … wieso …« Das konnte doch nicht sein! Der Schreck war Isabelle so in die Knie gefahren, dass diese zu zittern begannen. Hilflos setzte sie sich auf einen der Kanister.
    Von allen schlechten Nachrichten das Weingut betreffend, war dies die denkbar schlechteste.
    In der südlichen Champagne hatte die Reblaus in den letzten Jahren große Teile der Weinberge zerstört. Hunderte von Existenzen waren vernichtet worden, wahrscheinlich würde es Genera­tionen dauern, bis die Weinberge wieder aufgeforstet waren. Die Winzer, die zusammen mit ihr in Troyes um den Auftrag der Amerikaner warben, hatten mit Tränen in den Augen von dem großen Unglück erzählt.
    »Wie konnte das passieren?«, rief sie verzweifelt und mit einem Hauch von Anklage in der

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