Die Champagnerkönigin
Hauptgeschäft konzentrieren. Monsieur Jacques hingegen hing an der alten Tradition. Und Monsieur Leon erklärte mir gestern ebenfalls, er wolle die Schafe behalten, wie sein Onkel.«
Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, dachte Isabelle, sagte aber nichts.
»Monsieur Bertrand, können Sie mir bitte den Weinkeller zeigen? Ich möchte mir einen ersten Eindruck über die Bestände verschaffen«, sagte sie stattdessen.
Der Verwalter schaute sie verwundert an. »Aber Madame, das ist nicht mein Bereich. Ich besitze nicht einmal einen Schlüssel für den Weinkeller. Gustave Grosse würde mir den Kopf abreißen, wenn ich mich in sein Heiligtum wagte!«
Gustave Grosse. Isabelle presste die Lippen aufeinander. Wo trieb sich ihr Kellermeister eigentlich herum? Hätte er nicht schon gestern hier sein und sie begrüßen müssen?
»Aber welche Weinberge uns gehören, das können Sie mir doch wenigstens sagen, oder etwa nicht?« Gern hätte sie noch mehr hinzugefügt, doch sie wollte nicht gleich an ihrem ersten Tag mit dem Verwalter, der ihr eigentlich ganz sympathisch war, Streitgespräche führen.
»Wie man’s nimmt. Der Weinberg dort vorn, direkt an die Obstbaumwiese anschließend – sehen Sie den? Und die zwei Parzellen daneben?« Der Verwalter zeigte mit der rechten Hand nach vorn, sogleich sprang sein Hund in diese Richtung davon, als hätte sein Herr ein Stöckchen für ihn geworfen. »Alle drei Parzellen gehören zur Feininger-Kellerei, eine sehr gute Lage, auch wenn eine davon brachliegt. Etliche weitere Weinberge sind rund ums ganze Dorf verstreut. Gustave Grosse kann sie Ihnen zeigen. Warum gehen Sie nicht ein bisschen spazieren? Die Sonne tut nach dem langen Winter sehr gut …«
Isabelle trottete mit dem unguten Gefühl davon, wie ein Schulmädchen, das seinem Lehrer zu viele lästige Fragen gestellt hatte, fortgeschickt worden zu sein. Für heute würde sie das hinnehmen, beschloss sie. Doch zukünftig würde Claude Bertrand sich an ihre Fragen gewöhnen müssen.
7. Kapitel
Wie jeden Mittwochmorgen war Daniel Lambert zu einem Kontrollgang in die Trubert-Weinberge aufgebrochen. Nach den langen Wintermonaten erwachte die Vegetation in der Champagne jetzt, Anfang März, langsam. Für ihn als Kellermeister, der über dreißig Weinberge zu betreuen hatte und festlegen musste, wann es wo mit der Arbeit losging, war dies eine wichtige Zeit. Daniel hatte ein untrügliches Auge für die Veränderungen in der Natur. Und was er nicht sehen konnte, das fühlte er. In den meisten Lagen war die Winterruhe der Reben zu Ende. Lediglich auf den Nordhängen, die zum Weingut Trubert gehörten, hinkte die Entwicklung wie immer hinterher. Die Reben waren noch saft- und kraftlos. Ohne jeglichen Rückschnitt genossen zu haben, ragten sie wild über die Stützgerüste hinaus.
Merde! Daniel spürte kalte Wut in sich aufsteigen. Warum war es ihm im letzten Herbst wieder einmal nicht gelungen, Henriette Trubert von der Bedeutung eines noch rigoroseren Rückschnitts zu überzeugen? Weniger Trauben pro Stock bedeuteten eine höhere Qualität – mit diesem Argument hatte er sie überzeugen wollen.
Sie jedoch hatte ihm ungerührt geantwortet: »Trubert-Champagner ist gut, schließlich haben wir den besten Kellermeister weit und breit, das reicht als Kaufargument bei unseren Kunden allemal.«
»Aber so verstehen Sie doch, Madame, mit besserem Traubenmaterial würde ich noch bessere Ergebnisse erzielen können!«, hatte er sie fast angefleht.
»Wenn es dich glücklich macht, dann beschneide die Reben in Gottes Namen. Aber von einem Rückschnitt bis auf nur eine Fruchtrute will ich nichts hören! Ich setze nach wie vor auf einen großen Ertrag«, war ihre endgültige Antwort gewesen.
Daniel hatte darauf verzichtet, das Thema ein zweites Mal mit Alphonse zu besprechen. Henriettes Ehemann hatte alles Mögliche im Sinn – sein Geschäft jedoch leider nicht, das überließ er nur allzu gern Madame.
Vielleicht sollte er sich doch nach einer neuen Stelle umsehen, dachte Daniel, während er sich auf einen der Grenzsteine setzte. Angebote gab es immer wieder, bisher war allerdings nichts dabei gewesen, was ihn wirklich gereizt hätte.
Obwohl im Weinkeller viel Arbeit auf ihn wartete, hatte er sich wie immer etwas Verpflegung mitgenommen – ein wenig Brot und Käse, dazu einen Apfel. Für eine Weile saß Daniel nur da und genoss den stillen Moment, der nicht mehr zum Winter, aber auch noch nicht zum Frühjahr
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