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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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gehörte. Jetzt, um die Mittagszeit, hatte die Sonne schon genügend Kraft, um zu wärmen. Hie und da waren verfrühte Bienen unterwegs, ihr leises Summen war das einzige Geräusch im noch ruhigen Rebenland.
    Würde ihm ein neuer Arbeitgeber wirklich mehr Freiheit bescheren?, fragte er sich, während er von seinem schrumpeligen Apfel abbiss. Schöne Reden halten – das konnten die vignerons alle! Aber wie viele Freiheiten sie ihrem Kellermeister am Ende ließen – das war eine andere Frage. Von seinem letzten Arbeitgeber hatte er angenommen, dass dieser ihm und seinem Urteil vertraute. Umso bitterer war die Enttäuschung gewesen, als Jacques Feininger sich doch in alles eingemischt hatte. Am Anfang hatte er, Daniel, dies brav geschluckt, hatte versucht, mit guten Argumenten zu überzeugen. Vergeblich. Im zweiten Jahr waren sie dann so heftig aneinandergeraten, dass er ohne weitere Worte seinen Hut gepackt und zu den Truberts gegangen war. Vom Regen in die Traufe, ging es ihm durch den Sinn.
    Sein Blick heftete sich an einen kahlen Hang zu seiner Rechten. Der Stich, der durch sein Herz fuhr, war kurz, aber schmerzvoll. Früheres Lambert-Land. Eine der besten Lagen in der ganzen Champagne. Er schnaubte. Perlen vor die Säue. Jacques Feininger hatte als vigneron einfach nichts getaugt. Er hatte aus dem fruchtbaren Land bei weitem nicht das herausgeholt, was möglich gewesen wäre.
    Als brauchte es für seine Überzeugung einen weiteren Beweis, fiel Daniels Blick auf den übernächsten Weinberg. Am Rand der Parzelle lag ein riesiger Stapel alter Rebstöcke, sie waren durch neue, junge ersetzt worden. Winzlinge, die ihren ersten Winter mit Müh und Not überstanden hatten. Was für eine Idiotie! Dies hier war eine der besten Lagen weit und breit. Und die herausgenommenen Rebstöcke waren höchstens fünfundzwanzig Jahre alt ­gewesen, sie hätten noch zehn bis zwanzig gute Jahre vor sich ­gehabt. Reife Pflanzen, die reife Trauben mit viel Farbe hervorbrachten und nicht nur unreifes junges Gemüse!
    » Alle reden immer nur davon, wie wichtig das terroir für den Wein ist. Das terroir ist jedoch gottgegeben, da hat ein Winzer keinen Einfluss. Was ein Winzer jedoch machen kann, mein lieber Sohn, ist, jeden Weinstock zu kennen wie seinen besten Freund.« Plötzlich hatte Daniel die Worte seines Vaters im Ohr, wie so oft, wenn er hier unterwegs war. »Die Winzer übersehen gern, dass jede Pflanze ihre Eigenheiten und Vorzüge hat, aber auch Schwächen, was mit ihrer Lage im Weinberg und vielen weiteren Faktoren zusammenhängt. Eine jede Pflanze muss man hätscheln wie ein Kind, denn sie alle zusammen verleihen einem Wein seine besondere Identität.«
    Was würde sein Vater dazu sagen, wenn er wüsste, dass es vielen Winzern heutzutage nicht mehr um die »Identität« eines Champagners ging, sondern darum, möglichst große Mengen zu produzieren? Champagner war das Getränk der Reichen, überall auf der ganzen Welt zahlten die Menschen viel Geld für diesen Genuss. Die Champenois beeilten sich, die immer größer werdende Nachfrage zu stillen, immer öfter ging es um Masse statt um Klasse. Frederick Lambert würde sich im Grab umdrehen, wenn er wüsste, dass er, Daniel, sich an diesem Spiel beteiligte. Andererseits war sein Vater der Letzte, der das Recht hätte, ihm Vorwürfe zu machen.
    »Ach verdammt«, murmelte er vor sich hin, während er vergeblich versuchte, seine düsteren Gedanken durch freundlichere zu ersetzen. Vielleicht sollte er heute die Arbeit einfach Arbeit sein lassen und sich stattdessen mit Ghislaines Hauswein volllaufen lassen. Kein feines Tröpfchen, kein Gaumenspiel, sondern schlicht und einfach ein Wein, mit dem man sich um den Verstand trinken konnte. Andererseits – im Wirtshaus seiner Schwester würde er garantiert auf Alphonse Trubert treffen, und danach stand ihm überhaupt nicht der Sinn. Was Ghislaine in dem Mann sah, würde er in hundert Jahren nicht verstehen.
    Seine Gedanken brachen abrupt ab, als er sah, dass vor ihm eine Gestalt den Berg heraufgestiegen kam – um diese Jahreszeit war dies sehr ungewöhnlich. Es war eine Frau, erkannte er im nächsten Moment. Eine Fremde, so elegant angezogen, dass sie eher in einen Ballsaal als hierher gepasst hätte. Ihre Haare leuchteten glutrot in der Sonne. Wie es sich wohl anfühlte, eine rote Haarsträhne um den Finger zu wickeln?, schoss Daniel durch den Kopf. Alle paar Schritte hielt sie inne und tat so, als würde sie die Aussicht genießen,

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