Die Champagnerkönigin
hatte. Nach dem Verkauf sind wir steinreiche Leute.« Leon lachte zufrieden auf.
Isabelle holte erneut tief Luft. »Wenn ich den Rest meines Schmuckes verkaufe, kannst du dir von dem Geld nicht nur ein neues Rad kaufen, sondern zwei. Wir wären zwar nicht steinreich, aber immerhin hätten wir für die nächsten Monate, vielleicht sogar für länger, ein Auskommen. Und mit ein bisschen Glück wirst du hin und wieder auf dem Siegertreppchen stehen und eine stattliche Gewinnprämie einstecken.«
»Davon kannst du ausgehen! Aber mit Glück hat das nichts zu tun, vielmehr bin ich in der Form meines Lebens«, erwiderte Leon sogleich großspurig. »Die Materialfrage hätten wir also geklärt, schön und gut, aber wovon sollten wir laut deinem Plan leben und alle Ausgaben bestreiten?«
Isabelle, die nicht im Traum daran gedacht hatte, dass sich Leon überhaupt so weit auf das Gespräch einlassen würde, frohlockte innerlich.
»Was würdest du davon halten, wenn wir vorerst selbst gar keinen Champagner produzieren und stattdessen die ganze Traubenernte verkaufen? Laut Micheline Guenin sind die großen Winzer sehr erpicht darauf, so viele Trauben wie nur möglich zuzukaufen, und das zu sehr guten Preisen. Wäre das nicht die einfachste Art und Weise, in diesem Jahr aus dem Weingut einen Gewinn zu erzielen?«
»Die Trauben verkaufen?« Leon schaute sie verdutzt an.
Isabelle nickte heftig. »Und damit unseren Lebensunterhalt bestreiten. Ich bin mir sicher, dass wir ein gutes Auskommen hätten.«
Leon schwieg.
Isabelle knetete ihre Hände, bis sie weh taten. »Bitte gib mir diese eine Chance, dieses eine Jahr. Nach der Ernte im Herbst sehen wir weiter, wenn meine Rechnung bis dahin nicht aufgegangen ist, können wir immer noch verkaufen.« Mit klopfendem Herzen hielt sie Leon ihre rechte Hand hin, damit er einschlagen konnte, was er nach einem Moment des Zögerns auch tat.
»Na gut. Aber ich will kein Gejammer hören! Sobald ich das Gefühl habe, dass dir das Ganze über den Kopf wächst, ist Schluss. Eins steht nämlich fest – Henriette Trubert wird auch noch zu einem späteren Zeitpunkt am Kauf unseres Weinguts interessiert sein.«
Isabelle hörte schon gar nicht mehr richtig hin. Sie würde ihre Chance zu nutzen wissen!
Gleich am nächsten Tag fuhr sie erneut nach Reims, dieses Mal war Leon an ihrer Seite. Bis auf wenige Lieblingsstücke hatte Isabelle ihren ganzen Schmuck dabei. Als sie ihn auf die Theke des Juweliers legte, damit er ihn begutachten und ein Angebot machen konnte, war ihr leichter ums Herz als beim letzten Mal. Mit diesem Geschäft erkaufte sie sich Freiheit und Zukunft zugleich.
Für Isabelle änderte sich damit alles. Als Erstes zitierte sie Claude Bertrand und Gustave Grosse zu sich. Nachdem sie beiden die wieder einmal ausstehenden Gehälter überreicht hatte, sagte sie: »Ich habe Ihnen einige Änderungen mitzuteilen. Die Radrennsaison hat begonnen, und mein Mann hat beschlossen, sich voll und ganz seinem Sport zu widmen, Sie wissen ja, dass er zu den erfolgreichsten Radfahrern Europas gehört. Das bedeutet, dass ab jetzt ich das Weingut leite. Es ist zwar so, dass ich nicht viel über den Weinanbau weiß …« – sie verzog voller Selbstironie das Gesicht –, »aber ich bin gewillt dazuzulernen! Und ich würde mich freuen, wenn ich mit Ihrer Unterstützung rechnen kann. Gemeinsam werden wir die Sache schon in den Griff bekommen, oder?« Erwartungsvoll lächelte sie ihre beiden Mitarbeiter an.
Während Gustave Grosse eher missmutig dreinschaute, strahlte ihr Verwalter übers ganze Gesicht.
»Das freut mich sehr, Madame! Wann immer Sie Fragen haben, kommen Sie zu mir. Ich helfe, wo es geht.«
Ausgestattet mit einem Rad modernster Machart, stürzte sich Leon nur eine Woche später voller Elan ins europaweite Renngeschehen. Da ein Radfahrer einem Verein angeschlossen sein musste, fuhr er nun für einen Radsportverein in Charleville, einer Stadt nordöstlich von Reims gelegen. So fruchtlos seine Touren bezüglich des Champagnerverkaufs auch gewesen waren, so sehr zahlten sie sich nun hinsichtlich seiner Kondition aus: Leon war körperlich in Bestform. Einmal ein zweiter Platz, dann ein dritter, und einmal stand er sogar ganz oben auf dem Siegertreppchen. Nach dem Sieg ließ Leon zu Hause die Korken knallen, und sie feierten seine Erfolge. Nun, da sein Selbstbewusstsein neuen Auftrieb bekommen hatte und er tun konnte, was er wollte, kam das Wort »Verkauf« kein einziges Mal mehr über
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