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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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den Rücken. War er gelähmt? Erst letztes Jahr war einem Radfahrer genau das nach einem schlimmen Sturz widerfahren. Vorsichtig versuchte er, seine Zehen zu bewegen. Als es ihm gelang, empfand er eine solche Glückseligkeit, dass es ihm Tränen in die Augen trieb. Er schluchzte auf.
    »Leon …«
    Isabelle! Seine Frau war hier, an seiner Seite. Erleichterung durchflutete ihn. Er wollte ihren Namen sprechen, doch seine Kehle war so trocken, dass jeder Laut wie über raues Schmirgel­papier gezogen wurde. »I…sa…« Das Verziehen der Lippen verschlimmerte seine Kopfschmerzen sogleich.
    »Pst, nicht sprechen, nicht bewegen … Alles wird gut.«
    Er spürte, wie ihre Hand seinen linken Arm streichelte. Die Berührung tat ihm gut, das Spüren tat ihm gut. Er wollte sich aufsetzen, doch schon das erste Zucken löste einen schrillen Schmerz aus. Er biss die Zähne zusammen, um nicht laut aufzuschreien.
    »Was … ist … denn geschehen?«
    »Du hattest einen Unfall, kurz vor Épernay. Zwei Hunde sind dir ins Rad gerannt.« Isabelle zog geräuschvoll die Nase hoch.
    Zwei Hunde. Ja, daran erinnerte er sich. Und an Gras, das keines war, sondern Pflastersteine. Er war mit seinem Kopf auf einen solchen geknallt.
    »Und wo bin ich jetzt?«, krächzte er. Mit seiner rechten Hand fasste er sich vorsichtig an den Kopf, er wollte den Schmerz loswerden, dabei ertastete er den Verband. Eng gewickelt wanden sich die Leinenstreifen um seinen Kopf bis über die Augen. Deshalb sah er nichts. Hastig riss er den Verband ab. Das Licht, das seine Augen traf, war grell und löste erneut einen furchtbaren Schmerz in seinem Kopf aus.
    »Du bist im Krankenhaus von Épernay. Die Ärzte sagen, du hattest großes Glück. Eine Gehirnerschütterung und Prellungen in Brust und Rücken. Dazu ein paar Hautabschürfungen. Es ist ein Wunder, dass du dir nicht das Genick gebrochen hast. Ein paar Tage Schonung, dann bist du wieder der Alte, hat der Arzt vorhin gemeint. Ach Leon … Ich bin zu Tode erschrocken!« Heulend küsste Isabelle ihn auf Brust, Arme, Hände, Finger. Sie lachte und weinte gleichzeitig.
    Leon schloss die Augen wieder.
    Ein Wunder. Er hatte ein Wunder erlebt.
    Irgendwann fielen auch Isabelle vor lauter Erschöpfung die Augen zu. Sie schrak zusammen, als sie eine Hand an ihrer Schulter verspürte.
    Zwei junge Schwestern waren an Leons Bett getreten. Während die eine vorwurfsvoll den Kopf schüttelnd Leons Verband erneuerte, sagte die andere: »Madame, Ihr Mann wird von hier in den großen Schlafsaal verlegt. Sie müssen gehen, bitte.«
    Flehentlich schaute Isabelle die Schwester an. »Und wenn er wach wird und nach mir verlangt?«
    Die Krankenschwester zuckte nur mit den Schultern.
    Verzagt ging Isabelle aus dem Raum. Auf dem Flur traf sie den Arzt, mit dem sie zuvor nur kurz gesprochen hatte. Ohne dass sie ihn darum bitten musste, blieb er stehen.
    »Es ist wirklich ein Wunder, dass nicht mehr geschehen ist«, sagte er. »Als man Ihren Mann hierher brachte, war er blutüberströmt. Die Platzwunde am Kopf, dazu die Abschürfungen am ganzen Körper – es sah wirklich schrecklich aus. Doch als unsere Schwestern den Patienten gewaschen hatten, sahen wir, dass alles nur halb so schlimm war. Ihr Mann hatte mehr als einen Schutzengel um sich.«
    Isabelle schauderte dennoch. Sie wollte alles gar nicht so genau wissen. Sehnsüchtig blickte sie zu dem Schlafsaal, in den Leons Bett gerollt worden war.
    Der Arzt sagte sanft: »Gehen Sie, Madame, und erholen auch Sie sich von dem Schrecken. Wenn Sie nicht mehr nach Hause fahren möchten – gleich um die Ecke ist eine hübsche kleine Pension. Hier können Sie nichts für Ihren Mann tun. Wir haben ihm etwas gegen die Schmerzen gegeben, er wird mindestens zehn Stunden tief und fest schlafen. Schlaf ist meist die beste Medizin, auch in den nächsten Tagen wird der Patient noch sehr viel Ruhe benötigen.«
    Isabelle hatte den Ausgang schon fast erreicht, als sie aus einem Zimmer auf der linken Seite ein leises Weinen, eher ein Weh­klagen, hörte. Es war eine Frau, und in ihren Lauten lag so viel Verlorenheit und Einsamkeit, dass sich Isabelles Herz zusammenzog. Sie zögerte kurz, ging dann aber weiter. Bestimmt verbarg sich hinter der Tür ein großer Schlafsaal mit vielen Betten. Jemand anders konnte die Weinende trösten, sie hatte ihre eigenen Sorgen.
    Am Ausgang machte sie jedoch nach kurzem Zögern kehrt. Wenn sie jetzt nicht nach der unglücklichen Frau schaute, würde sie sich die halbe

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