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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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kurz aus ihrer Lethargie. Als sie abseits der Menge Ghislaine stehen sah, ging sie auf sie zu. Zwei Paar müde Augen trafen einander, als Isabelle sagte: »Jetzt haben wir beide das Liebste verloren.«
    Ghislaine nickte, und in dieser stummen Geste fand Isabelle ein wenig Trost.
    Micheline war gerade an der Tür, um einen Boten zu verabschieden, als Henriette Truberts Kutsche vorfuhr.
    »Blumen?«, sagte Henriette und wies auf den Strauß bunter Gladiolen in Michelines Arm.
    Micheline nickte knapp. »Von Raymond Dupont. Blumen, Pralinen, Gebäck, er lässt nichts unversucht, um die Witwe aufzumuntern.«
    »Ich wusste gar nicht, dass die beiden sich so gut kennen«, sagte Henriette und verzog missgünstig den Mund. »Nun, auch ich möchte die Witwe ein wenig aufmuntern!«, fügte sie hinzu und hob das Tuch, mit dem sie ihren Korb abgedeckt hatte. »Ein Mandelkuchen, sehr fein.«
    Natürlich wusste Micheline, dass der trockene Kuchen nur ein Vorwand war, dass es Henriette um alles andere als das Wohl der jungen Witwe ging. Dennoch blieb ihr nichts anderes übrig, als die Winzerin ins Haus zu lassen.
    Schon in jungen Jahren waren sie sich nicht grün gewesen. Die attraktive Kaufmannstochter Henriette, die von allen jungen Burschen angehimmelt wurde, und die stille, schüchterne Micheline, nach der kein Hahn krähte – das passte einfach nicht zusammen. Und daran hatte sich bis zum heutigen Tag nichts geändert. Es war nicht so, als hätte Micheline die Geschäftstüchtigkeit der anderen Frau verabscheut, ganz im Gegenteil, Henriette lag damit nur in der Tradition der Champenois- Winzerinnen. Was Micheline jedoch über alle Maßen störte und ärgerte, war die Dreistigkeit, mit der die andere danach trachtete, ihren Besitz zu mehren: Ein Krankheitsfall hier, ein Todesfall da, und schon war Henriette mit gezücktem Scheckbuch zur Stelle, um einen Weinkeller, einen Weinberg oder eine Presse aufzukaufen. Doch vor allem ging es ihr um Land, Land, Land …
    Seit Leon Feiningers Tod kam die Winzerin fast wöchentlich vorbei. Jedes Mal säuselte sie der Witwe ein paar mitfühlende Worte ins Ohr, bevor sie ihr Angebot, das Weingut Feininger kaufen zu wollen, erneuerte. Die ersten paar Male hatte Micheline wie eine Glucke beschützend neben Isabelle gesessen – nicht auszudenken, wenn die Witwe, blind und irr vor Trauer, den Vertrag einfach unterschrieb! Doch nachdem ihr klar wurde, dass Isabelle auf Henriettes Ansprache ebenso wenig reagierte wie auf ihre eigene, hielt sie es nicht mehr für nötig, Isabelles Wachhund zu spielen.
    »Und? Noch immer keine Besserung in Sicht?«, fragte Henriette und nickte in Richtung des Obergeschosses.
    Micheline schüttelte stumm den Kopf.
    Henriette tat es ihr gleich, doch aus anderen Gründen. Abscheu, Unverständnis und mehr lagen in diesem Kopfschütteln. Ihre nächsten Worte unterstrichen dies nur noch. »Wenn dir wirklich etwas an der Deutschen läge, würdest du ihr zum Verkauf zureden! Madame Feininger wäre eine wohlhabende Frau ohne jegliche Verpflichtung, sie könnte an die Côte d’Azur reisen oder sonst wohin und sich ihrer Trauer bis ans Ende ihrer Tage hingeben. Und wer weiß« – Henriette lachte schrill auf –, »vielleicht heiratet sie sogar wieder, womöglich einen reichen Witwer? Hier in der Champagne wird l’Allemande jedenfalls nicht mehr glücklich. Wir wissen doch beide, dass das Häufchen Elend, das oben im Bett liegt, nicht den Mumm hat, sich aufzuraffen und das Weingut erneut zu führen! Tja, die Deutschen sind eben doch nicht aus so hartem Holz geschnitzt, wie es immer heißt …«
    »Stell dir vor, Henriette war heute schon wieder da«, sagte Micheline Guenin kurze Zeit später zu Claude, der eines der Pferde striegelte. »Ich finde es unverschämt, mit welcher Hartnäckigkeit sie ihre Ziele verfolgt.«
    Claude nickte. »Bei mir hat sie auch vorbeigeschaut. Sie meinte, ich solle der Witwe gut zureden, das Anwesen zu verkaufen. Und dass ich immer eine gute Arbeit bei ihr finden würde.«
    Micheline schaute den Verwalter kritisch an. »Und was hast du darauf geantwortet?«
    Claude zuckte mit den Schultern. »Was schon? Nichts. Ich habe Madame seit Ewigkeiten nicht mehr zu Gesicht bekommen, sie verlässt ja ihr Schlafzimmer kaum. Wenn Henriette wüsste, dass ich seit Wochen alles nach meinem Gutdünken allein regele, würde sie wahrscheinlich noch impertinenter auftreten.« Er ließ den Striegel sinken und schaute an Micheline vorbei aus dem Stallfenster.

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