Die Chancellor
wüßte, wenn sie hörte,
daß das Schiff eigentlich nur noch ein Vulkan ist, der
sich jeden Augenblick unter ihren Füßen öffnen kann,
kämen sie gewiß außer Rand und Band, und niemand
würde imstande sein, ihre Flucht zu verhindern.
Der zweite Offizier, Ingenieur Falsten und ich, wir
sind die einzigen, die die schreckliche Komplikation
der Feuersbrunst kennen, und es ist gut, daß es dabei
bleibt.
Nach wiederhergestellter Ordnung suchen wir, Ro-
bert Kurtis und ich, den Ingenieur wieder auf dem
Oberdeck. Dieser ist noch dort und steht mit gekreuz-
ten Armen da; wahrscheinlich denkt er über ein mecha-
nisches Problem nach – mitten unter dem allgemeinen
Schrecken. Wir empfehlen ihm dringend, nichts von
der Verschlechterung unserer Lage zu sagen, die wir der
Unklugheit Rubys verdanken.
Falsten verspricht darüber zu schweigen. Robert Kur-
tis übernimmt es, dem Kapitän Huntly, der auch noch
nicht informiert ist, alles mitzuteilen.
Vorher muß er sich aber der Person Rubys versichern,
denn der Unglückliche ist vollkommen geistig gestört.
Er weiß nicht mehr, was er tut, und läuft nur mit dem
Ruf: »Feuer! Feuer!« auf dem Oberdeck umher.
Robert Kurtis befiehlt einigen Matrosen, sich des Pas-
sagiers zu bemächtigen, den man fesselt und unschäd-
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lich macht. Dann wird er in seine Kabine gebracht und
sorgfältig bewacht.
Das schreckliche Wort ist nicht über seine Lippen ge-
kommen!
12
22. und 23. Oktober. – Robert Kurtis hat dem Kapitän
alles mitgeteilt.
Kapitän Huntly ist, wenn auch nicht in der Tat, so
doch dem Wortlaut nach sein Vorgesetzter, und er darf
ihm nichts verheimlichen.
Bei dieser Nachricht hat Kapitän Huntly kein Ster-
benswörtchen geantwortet, sondern ist nur mit der
Hand über die Stirn gefahren, wie ein Mensch, der sich
irgendeinen Gedanken vertreiben will; dann ist er ru-
hig in seine Kabine zurückgekehrt, ohne einen Befehl
zu erteilen.
Robert Kurtis, der Leutnant, Ingenieur Falsten und
ich, wir treten zu einer Beratung zusammen, und ich
wundere mich über die Kaltblütigkeit, die jeder unter
diesen Umständen an den Tag legt.
Alle Möglichkeiten einer Rettung werden erwogen,
und Robert Kurtis faßt unsere Lage in folgende Worte
zusammen:
»Die Feuersbrunst kann unmöglich beschränkt wer-
den, und der Mannschaftsschlafraum am Vorderteil ist
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schon kaum noch zu bewohnen. Der Augenblick muß
also, und das vielleicht bald kommen, an dem die Flam-
men das Verdeck durchbrechen. Wenn vor Eintritt die-
ser Katastrophe das Meer es erlaubt, werden wir das
Schiff auf den Booten verlassen. Ist es uns dagegen un-
möglich, die ›Chancellor‹ zu verlassen, dann kämpfen
wir gegen das Feuer bis zum letzten Atemzug. Wer weiß,
ob wir seiner nicht leichter Herr werden, wenn es zum
Durchbruch gekommen ist. Vielleicht bekämpfen wir
den Feind, der sich offen zeigt, erfolgreicher, als den,
der sich verbirgt!«
»Das entspricht meiner Ansicht«, bemerkte ruhig der
Ingenieur.
»Auch meiner«, setzte ich hinzu. »Doch, Mr. Kurtis,
ziehen Sie gar nicht in Betracht, daß sich 30 Pfund je-
ner furchtbaren explosiven Substanz im Kielraum be-
finden?«
»Nein, Mr. Kazallon«, antwortete Robert Kurtis, mit
einem Übermaß von kaltem Blut, »das ist nur ein De-
tail, das mich nicht besonders kümmert. Warum sollte
es auch? Kann ich das gefahrdrohende Kolli mitten aus
der brennenden Fracht heraussuchen? Und das aus ei-
nem Raum, dem wir jeden Luftzutritt verwehren müs-
sen? Nein, daran denke ich gar nicht! Noch bevor ich
ausspreche, kann das Pikrat seine entsetzliche Wirkung
äußern, das ist wohl wahr. Aber entweder erreicht das
Feuer es oder nicht! Der erschwerende Umstand, den
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Sie anführen, ist für mich nicht weiter vorhanden. Es
liegt in der Hand Gottes und nicht in meiner, uns diese
schreckliche Katastrophe zu ersparen!«
Robert Kurtis hat diese Worte in ernstem Ton gespro-
chen, und wir senken die Köpfe, ohne darauf zu ant-
worten. Da der Zustand des Meeres eine Benutzung der
Boote ganz unmöglich macht, dürfen wir an jenen be-
sonderen Umstand nicht weiter denken.
»Die Explosion ist ja nicht unbedingt notwendig,
hätte wohl ein Formalist gesagt, sie ist nur eine zufäl-
lige!«
Eine ähnliche Bemerkung äußerte der Ingenieur auch
wirklich.
»Auf eine Frage möchte ich Sie noch um eine Ant-
wort bitten, Mr. Falsten«, sagte ich. »Kann das Natron-
Pikrat sich
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