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Die Chancellor

Die Chancellor

Titel: Die Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wissen.«
    Nach diesen Worten ruft der zweite Offizier einen
    Matrosen herbei und befiehlt ihm, den Hochboots-
    mann zu suchen.
    Der Hochbootsmann erscheint in kurzer Zeit.
    »Hochbootsmann«, sagt Robert Kurtis zu ihm, »lassen
    Sie die Mannschaft sich am Großmast versammeln.«
    Der Hochbootsmann zieht sich zurück und wenige
    Minuten später umringen die Leute der ›Chancellor‹
    den bezeichneten Platz.
    Robert Kurtis begibt sich mitten unter sie.
    »Jungs«, sagt er mit ruhig ernster Stimme, »in der
    Lage, in der wir uns befinden, und aus anderen mir be-
    kannten Gründen hat Mr. Silas Huntly sein Kommando
    als Kapitän niederlegen zu sollen geglaubt. Von heute an
    kommandiere ich an Bord.«
    So vollzog sich dieser Wechsel, der nur zu unser al-
    ler besten dienen kann. Jetzt haben wir einen energi-
    schen und verläßlichen Mann an der Spitze, der vor kei-
    ner für das allgemeine Wohl erforderlichen Maßnahme
    zurückschrecken wird. Die Herren Letourneur, Ingeni-
    eur Falsten und ich beglückwünschen Robert Kurtis,
    wobei der Hochbootsmann und der Leutnant sich uns
    anschließen.
    Das Schiff steuert nach Südwesten, und Robert Kur-
    tis, der so viele Segel wie möglich beisetzen läßt, sucht
    — 66 —
    die nächste Insel der Kleinen Antillen auf kürzestem
    Weg zu erreichen.
    13
    24. bis 29. Oktober. – Während der nun folgenden 5
    Tage geht das Meer sehr hohl. Die ›Chancellor‹ hat es
    aufgeben müssen, dagegen anzukämpfen, und obwohl
    sie jetzt mit dem Wind und den Wellen geht, wird sie
    doch ganz außerordentlich umhergeworfen. Bei dieser
    Fahrt auf einem Brander ist uns auch kein Augenblick
    der Ruhe gegönnt. Man betrachtet das Wasser, welches
    das Schiff umgibt und anzuziehen scheint, fast mit Ver-
    gnügen.
    »Warum aber«, habe ich zu Robert Kurtis gesagt,
    »wollen Sie das Verdeck nicht öffnen? Warum keine
    Tonnen mit Wasser in den Kielraum eingießen? Und
    wenn das Schiff damit angefüllt würde, was täte das?
    Wenn das Feuer gelöscht ist, werden die Pumpen das
    Wasser ja leicht wieder entfernen.«
    »Mr. Kazallon«, antwortet mir Robert Kurtis, »ich
    habe Ihnen schon gesagt und wiederhole es Ihnen,
    wenn wir der Luft einen auch noch so geringen Zutritt
    gestatten, wird das Feuer sich sofort durch das ganze
    Schiff verbreiten und die Flammen werden es vom Kiel
    bis zu den Mastspitzen ergreifen. Wir sind zur Unfähig-
    — 67 —
    keit verurteilt und befinden uns unter Verhältnissen, in
    denen man den Mut haben muß, nichts zu tun!«
    Ja! Jede Öffnung hermetisch verschließen, das ist
    noch immer das einzige Mittel, die Feuersbrunst zu be-
    kämpfen, und das vernachlässigt die Mannschaft auch
    nicht.
    Inzwischen schreitet das Feuer unablässig fort, und
    vielleicht schneller, als wir annehmen. Nach und nach
    ist die Hitze so unleidlich geworden, daß die Passagiere
    aufs Verdeck haben flüchten müssen und nur die Kabi-
    nen im Heck, welche die größeren Fenster im Spiegel
    haben, sind noch einigermaßen bewohnbar.
    Die eine davon verläßt Mrs. Kear niemals, die andere
    hat Robert Kurtis für den Kaufmann Ruby in Beschlag
    genommen. Ich habe den Unglücklichen mehrmals be-
    sucht; er ist vollkommen närrisch geworden und muß
    gefesselt gehalten werden, um ihn am Zertrümmern der
    Tür zu hindern. Sonderbar! In seiner Verwirrtheit hat
    er doch das Gefühl des furchtbarsten Schreckens noch
    bewahrt und stößt entsetzliche Schreie aus, als leide er
    wirklich unter schmerzhaften Brandwunden.
    Wiederholt habe ich auch dem Ex-Kapitän einen
    Besuch abgestattet, und fand in ihm einen ruhigen
    Mann, der ganz vernünftig spricht, nur nicht über sein
    Geschäft. Darüber sind ihm nur ganz allgemeine An-
    schauungen verblieben. Ich biete mich an, ihn zu pfle-
    gen, denn er leidet offenbar; doch er weist es ab, und
    — 68 —
    will seine Kabine auf keinen Fall verlassen. Heute ist der
    wachhabende Matrose durch den scharfen und ekligen
    Rauch, der durch die Fensterritzen dringt, von der ge-
    wohnten Stelle vertrieben worden. Es steht fest, daß die
    Feuersbrunst nach dieser Seite fortschreitet, und wenn
    man das Ohr an die Zwischenwände legt, hört man ein
    dumpfes Prasseln. Woher nimmt dieses Feuer die Luft
    zum Brennen? Wo ist die Öffnung, die jeder Nachfor-
    schung entgeht? Die schreckliche Katastrophe kann
    nunmehr nicht fern sein! Vielleicht handelt es sich nur
    noch um wenige Tage, vielleicht nur um Stunden, und
    zum Unglück geht das Meer so hoch, daß man an eine
    Einschiffung in

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