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Die Chancellor

Die Chancellor

Titel: Die Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Frachtraum
    sinkt immer mehr, und die Leute setzen die Entladung
    rüstig fort.
    »Es wird nun wahrscheinlich«, sagt Robert Kurtis zu
    uns, »daß wir bis zu der Havarie hinunter gelangen und
    sie vom Inneren aus wieder ausbessern können. Freilich
    wäre es geratener, das Schiff kielzuholen, doch fehlen
    mir dazu gänzlich die Hilfsmittel. Ich würde mich da-
    — 116 —
    von auch durch die Befürchtung abhalten lassen, daß
    schlechtes Wetter einträte, während das Schiff auf der
    Seite läge. Nichtsdestoweniger glaube ich Ihnen versi-
    chern zu können, daß der Zugang des Wassers auf ge-
    eignete Weise verschlossen werden wird, und daß wir
    in nicht zu ferner Zeit und unter Verhältnissen, die eine
    genügende Sicherheit garantieren, nach der nächsten
    Küste absegeln können.«
    Nach zweitägiger Arbeit war das Wasser zum größ-
    ten Teil ausgepumpt, und die Entladung der letzten Bal-
    len der Fracht ging ohne Schwierigkeit vonstatten. Auch
    wir haben bei den Pumpen jetzt mit Hand anlegen müs-
    sen, um die Mannschaft abzulösen, und haben das ge-
    wissenhaft getan. Trotz seiner Schwäche hat sich auch
    André Letourneur uns angeschlossen, und jeder erfüllt
    seine Pflicht nach besten Kräften.
    Doch, das war eine anstrengende Arbeit; wir ver-
    mochten sie nicht lange fortzusetzen, ohne einmal aus-
    zuruhen. Die fortwährende auf- und abgehende Bewe-
    gung brach uns fast die Arme, und ich verstehe recht
    gut, daß die Matrosen sich gern von ihr wegzustehlen
    suchen. Wir befinden uns dabei noch unter günstigen
    Verhältnissen, da das Schiff auf festem Grund liegt und
    unter unseren Füßen kein Abgrund gähnt. Wir vertei-
    digen jetzt nicht unser Leben gegen das anstürmende
    Meer und bekämpfen kein Wasser, das ebenso, wie es
    ausgeschöpft wird, immer wieder nachdringt! Gebe der
    — 117 —
    Himmel, daß wir nie auf einem sinkenden Schiff eine
    solche Prüfung auszuhalten haben.
    20
    15. bis 20. November. – Heute endlich hat man den
    Frachtraum eingehender untersuchen können; endlich
    ist das Kolli mit dem Pikrat ganz hinten an einer Stelle
    aufgefunden worden, die das Feuer glücklicherweise
    nicht erreicht hat. Das Kolli zeigt sich unversehrt, nicht
    einmal durch das Wasser hat sein Inhalt Schaden ge-
    nommen, und man bringt es an einem sicheren Platz an
    der Spitze des Eilands unter. Warum es nicht sofort ins
    Meer geworfen wurde? – Ich weiß es nicht; mit einem
    Wort: es ist nicht geschehen.
    Robert Kurtis und Daoulas haben bei ihrer Untersu-
    chung das Deck und seine Tragbalken weniger zerstört
    gefunden, als man erwartete. Die intensive Hitze, der
    sie ausgesetzt gewesen sind, hat sie zwar verzogen, ohne
    sie tief anzunagen, und die Wirkung des Feuers scheint
    sich mehr gegen die Seiten des Schiffsrumpfs geäußert
    zu haben.
    Wirklich sind die Weger* auf eine große Strecke
    hin von den Flammen verzehrt; da und dort ragen die
    Köpfe verkohlter Holzpflöcke hervor, und leider ist das
    * Eine Art Futterdielen.
    — 118 —
    ganze Rippenwerk sehr tiefgehend ergriffen worden.
    Das Werg an den Stoßverbindungen und in den Fugen
    muß bald verbrannt gewesen sein, und man darf es als
    ein reines Wunder betrachten, daß das Fahrzeug sich
    nicht schon längst geöffnet hat.
    Man muß zugeben, daß das mißliche Umstände sind.
    Die Beschädigungen sind tatsächlich so ernster Natur,
    daß Robert Kurtis, wenn er sich jetzt auf einer Insel und
    nicht auf einem, jeden Augenblick dem Wogenschwall
    preisgegebenen Riff befände, gar nicht zögern würde,
    das ganze Schiff zu demolieren, und daraus ein kleine-
    res, aber verläßlicheres zu bauen.
    Robert Kurtis ist sich jedoch über die Situation völlig
    klar; er läßt uns alle, Mannschaften und Passagiere, auf
    dem Deck der ›Chancellor‹ zusammentreten.
    »Meine Freunde«, beginnt er, »unsere Havarien er-
    weisen sich weit bedeutender, als sie vorher angenom-
    men wurden, und der Rumpf des Schiffes ist ganz be-
    sonders schwer betroffen. Da uns einerseits jedes Mittel
    abgeht, jenen wieder zu reparieren, und wir anderer-
    seits auf diesem Eiland, nur abhängig von der Gnade
    des Windes, keine Zeit haben, ein anderes Fahrzeug zu
    erbauen, so geht mein Vorschlag dahin: wir verstopfen
    das Leck so gut wie nur möglich, und suchen den nächs-
    ten Hafen zu erreichen. Wir sind nur 800 Meilen von
    der Küste von Paramaribo, das den nördlichen Teil von
    Holländisch-Guyana bildet, entfernt und können dort
    — 119 —
    bei einigermaßen günstigem Wind

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