Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chancellor

Die Chancellor

Titel: Die Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
nach
    der Strandung sind dem Kielraum der ›Chancellor‹ stets
    dicke, beißende Dämpfe entströmt; dann haben sie sich
    nach und nach vermindert und am 6. November kann
    man die Feuersbrunst als erloschen ansehen. Aus Für-
    sorge aber läßt Robert Kurtis die Pumpen noch fortar-
    beiten, so daß der Schiffsrumpf jetzt bis zum Zwischen-
    deck mit Wasser gefüllt ist. Nur zur Zeit der Ebbe sinkt
    das Wasser im Frachtraum, und die Oberflächen im In-
    neren und Äußeren stellen sich auf gleiches Niveau.
    »Es beweist das«, sagt Robert Kurtis zu mir, »daß das
    — 113 —
    Leck ziemlich beträchtlich sein muß, da das Wasser mit
    solcher Schnelligkeit nachsinkt.«
    Wirklich beträgt die Oberfläche der Öffnung im
    Rumpf nicht weniger als 4 Quadratfuß. Einer der Ma-
    trosen, Flaypol, ist ins Meer getaucht und hat die Stelle
    und Ausdehnung der Havarie untersucht. Die Eintritt-
    söffnung des Wassers befindet sich etwa 30 Fuß vom
    Steuer nach vorn zu; es sind Planken durch eine Fel-
    senspitze eingedrückt, und zwar 2 Fuß über der Kiel-
    fuge. Der Anprall muß sehr stark gewesen sein, denn
    das Fahrzeug war schwer beladen und das Meer ging
    hoch. Fast möchte man bewundern, daß der Rumpf sich
    nicht an noch mehr Stellen geöffnet hat. Ob das Leck
    leicht zu stopfen sein wird, läßt sich erst dann beurtei-
    len, wenn die Ladung entweder entfernt oder doch weg-
    geräumt ist, so daß der Zimmermann es erreichen kann.
    2 Tage dürfen indes noch vergehen, um in den Fracht-
    raum der ›Chancellor‹ eindringen zu können und dieje-
    nigen Baumwollballen zu entfernen, die das Feuer noch
    unversehrt gelassen hat.
    Während dieser Zeit bleibt Robert Kurtis nicht mü-
    ßig, und es werden, unter tatkräftiger Unterstützung der
    Mannschaft, sehr wichtige Arbeiten ausgeführt. So läßt
    der Kapitän den Besanmast, der beim Auffahren abge-
    brochen war, wiederherstellen, da es gelungen ist, ihn
    mit seinem ganzen Takelwerk anzuholen. Mittels star-
    ker Stützbalken am Heck gelangt man dazu, ihn wieder
    — 114 —
    auf seinen früheren Stumpf aufzusetzen, nachdem der
    Zimmermann diesen mit Zapfenlöchern versehen hat.
    Angelegte Wangen, die durch eiserne Bänder und tüch-
    tige Bolzen gehalten sind, sichern die Verbindung der
    beiden Bruchstücke.
    Nachdem das geschehen ist, mustert man sorgfäl-
    tig die Strickleitern und das Tauwerk, prüft die Stagen,
    wechselt einige Segel aus, ordnet die laufenden Seile,
    und so dürfen wir hoffen, mit aller Sicherheit segeln zu
    können.
    Am Bug und Heck des Schiffes gibt es viel Arbeit,
    denn das Oberdeck und die Mannschaftskajüte sind
    von den Flammen arg mitgenommen. Es ergibt sich also
    die Notwendigkeit, alles wieder in Stand zu setzen, was
    natürlich einige Zeit und Mühe erfordert. An Zeit fehlt
    es nicht, an Mühe spart man nicht, und bald können wir
    in unsere Kabinen zurückkehren.
    Erst am 8. kann die Entladung der ›Chancellor‹ mit
    Aussicht auf Erfolg begonnen werden. Da die Baum-
    wollballen durchnäßt sind von dem Wasser, das bei der
    Flut den ganzen Kielraum erfüllte, bringt man über den
    Deckluken Kräne an, und wir gehen der Mannschaft
    mit zur Hand, die schweren Ballen heraufzuwinden, die
    sich zum größten Teil zerstört zeigen. Einer nach dem
    andern wird auf die Jolle verladen und nach dem Riff
    geschafft.
    Nach Löschung der obersten Schicht der Fracht wird
    — 115 —
    es notwendig, das Wasser aus dem Frachtraum mindes-
    tens zum Teil auszupumpen. Das erfordert aber einen
    möglichst guten Verschluß des Lecks, das der Felsen in
    den Rumpf gestoßen hat. Eine schwere Arbeit; doch der
    Matrose Flaypol und der Hochbootsmann unternehmen
    sie mit dem lobenswertesten Eifer. Zur Zeit der Ebbe ist
    es ihnen geglückt, unter die Steuerbordseite zu tauchen,
    und eine Kupferplatte über die Öffnung zu nageln; da
    dieses Blech aber dem Druck von außen schwerlich
    Widerstand zu leisten imstande sein kann, wenn sich
    infolge des Pumpens das Niveau im Inneren senkt, so
    versucht Robert Kurtis es durch Baumwollballen, die
    gegen die eingedrückten Planken gepreßt werden, zu
    unterstützen. Material ist ja genug vorhanden, und bald
    ist der Grund der ›Chancellor‹ wie gepolstert mit jenen
    schweren und undurchdringlichen Ballen, welche die
    Widerstandsfähigkeit des Kupferblechs erhöhen sollen.
    Das Verfahren des Kapitäns hatte den gewünschten
    Erfolg. Man erkennt es deutlich, seitdem die Pumpen in
    Tätigkeit sind, denn das Wasserniveau im

Weitere Kostenlose Bücher