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Die Chancellor

Die Chancellor

Titel: Die Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Vier-
    teln versunkene Schiffsrumpf wird wie eine Klippe von
    den Wellen gepeitscht. Der Schaum spritzt bis zu den
    Mastkörben hinauf, und unsere Kleidungsstücke wer-
    den wie von einem feinen Regen durchnäßt.
    Über der Meeresoberfläche befinden sich von der
    ›Chancellor‹ noch folgende Teile: die drei Masten mit
    den Mastkörben, das Bugspriet, an dem man jetzt die
    Jolle aufgehängt hat, um sie vor dem Anprall der Wogen
    zu sichern, ferner das Oberdeck und das Vorderkastell,
    beide nur durch den schmalen Rahmen der Schanzklei-
    dung verbunden. Das Verdeck dagegen befindet sich
    vollständig unter Wasser.
    Die Kommunikation zwischen den Mastkörben ist
    sehr beschwerlich; allein die Matrosen, die an den Sta-
    gen hinklettern, können sich von dem einen zum an-
    deren hin begeben. Unter ihnen, zwischen den Masten
    vom Hackbord bis zum Vorderkastell schäumt das Meer,
    wie über einem Riff, und löst nach und nach die Wände
    des Schiffes ab, deren Planken man zu erhaschen sucht.
    Für die auf die engen Plattformen geflüchteten Passa-
    giere gewährt es ein erschütterndes Schauspiel, unter
    ihren Füßen den Ozean zu sehen und zu hören. Die aus
    dem Wasser emporragenden Masten erzittern bei jedem
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    Wellenschlag, und man könnte glauben, daß sie wegge-
    rissen werden müßten.
    Besser ist es, die Augen zu schließen, und gar nicht
    nachzudenken, denn dieser Abgrund übt eine eigene
    Anziehungskraft aus, und man fühlt die Versuchung,
    sich hineinzustürzen!
    Inzwischen ist die gesamte Mannschaft unablässig mit
    der Herstellung eines zweiten Floßes beschäftigt. Dabei
    finden die Obermasten, die Marsrahen und Bramsten-
    gen Verwendung und man widmet unter Robert Kurtis’
    Leitung dieser Arbeit alle mögliche Sorgfalt. Die ›Chan-
    cellor‹ scheint wirklich nicht weiter zu sinken; wie der
    Kapitän es vorausgesagt hat, wird sie sich voraussicht-
    lich eine Zeitlang im Wasser schwebend halten.
    Robert Kurtis achtet also darauf, daß das Floß so so-
    lide wie möglich gebaut wird.
    Die Überfahrt wird bei der noch immer beträcht-
    lichen Entfernung zur nächsten Küste, der von Guyana
    nämlich, lange Zeit in Anspruch nehmen. Es empfiehlt
    sich also, lieber einen Tag länger in den Mastkörben
    auszuharren, und sich die nötige Zeit zur Erbauung ei-
    nes schwimmenden Gerüsts zu nehmen, auf das man
    sich einigermaßen verlassen kann.
    Die Matrosen selbst haben sich wieder mehr beru-
    higt, und jetzt geht die Arbeit ungestört vonstatten.
    Einzig ein alter, etwa 60jähriger Seemann, dem Bart
    und Haar im Seewind gebleicht sind, ist nicht der An-

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    sicht, die ›Chancellor‹ zu verlassen. Es ist ein Ire, mit
    Namen O’Ready.
    Als ich mich eben auf dem Oberdeck befand, gesellte
    er sich zu mir.
    »Mein Herr«, beginnt er und schiebt mit bewun-
    dernswerter Gleichgültigkeit sein Priemchen im Mund
    hin und her, »meine Kameraden haben die Absicht, das
    Schiff zu verlassen. Ich nicht. Ich habe schon neunmal
    Schiffbruch erlitten – viermal auf offener See, fünf-
    mal an der Küste. Es ist mein eigentliches Geschäft, zu
    scheitern. Ich kenne das aus dem Grund. Nun, Gott soll
    mich verdammen, wenn ich nicht immer die Hasen-
    herzen habe elend umkommen sehen, die sich auf Flö-
    ßen oder Booten zu retten suchten! Solange ein Kasten
    schwimmt, soll man drauf bleiben. Lassen Sie sich das
    gesagt sein!«
    Nach diesen sehr bestimmt gesprochenen Worten,
    die die alte irische Wasserratte zur Beruhigung seines
    eigenen Gewissens von sich zu geben schien, versank
    der Mann wieder in ein vollkommenes Schweigen.
    Am selben Tag bemerke ich auch, gegen 3 Uhr nach-
    mittags, Mr. Kear und den Ex-Kapitän Silas Huntly im
    Mastkorb des Besanmasts in eifrigem Gespräch. Der
    Ölhändler scheint dem anderen heftig zuzusetzen, und
    dieser einem Vorschlag des genannten Mr. Kear gewisse
    Einwürfe entgegenzuhalten. Lange Zeit betrachtet Si-
    las Huntly wiederholt das Meer und den Himmel, und
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    schüttelt mit dem Kopf. Endlich, nach einer Unterhal-
    tung von einer Stunde, gleitet er an den Besanstagen bis
    zur Spitze des Vorderkastells, mischt sich unter die Ma-
    trosen, und ich verliere ihn aus den Augen.
    Übrigens erscheint mir dieser Vorfall ohne Bedeu-
    tung, und ich steige wieder nach dem Großmast hinauf,
    wo die Herren Letourneur, Miss Herbey, Falsten und
    ich noch einige Stunden im Gespräch verbringen. Die
    Sonne brennt gewaltig, und ohne das Segel, das uns

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