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Die Chancellor

Die Chancellor

Titel: Die Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Mas-
    ten erzittern, hörbar durchdringt.
    Ich erhebe mich, packe die um unseren luftigen Auf-
    enthalt gezogenen Leinen und versuche mir darüber
    klarzuwerden, was unter mir und um mich herum vor-
    geht.
    Mitten durch die Dunkelheit grollt das Meer unter
    meinen Augen, und zwischen den Masten schäumen

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    die jetzt mehr bleichen als weißen Wellen auf. Zwei
    schwarze Schatten ganz im Heck heben sich von der
    helleren Farbe des Wassers ab. Diese Schatten sind Ka-
    pitän Kurtis und der Hochbootsmann.
    Ihre beim Klatschen der Wellen und dem Pfeifen der
    Brise nur wenig verständlichen Stimmen dringen nur
    wie ein zerrissenes Seufzen zu meinem lauschenden
    Ohr. Was geht wohl vor?
    Da kommt ein Matrose, der in die Takelage gestiegen
    war, um ein Tau zu befestigen, an mir vorüber.
    »Was ist geschehen?« frage ich ihn.
    »Der Wind ist umgesprungen . . .«
    Noch einige Worte fügt der Matrose hinzu, die ich
    nicht genau verstehen kann. Indessen glaubte ich die
    Worte »gerade umgekehrt« zu hören.
    Gerade umgekehrt! Dann müßte der Wind aber von
    Nordosten nach Südwesten umgeschlagen sein, und er
    müßte uns jetzt in die offene See hinaustreiben! Meine
    Ahnungen trügten mich also nicht!
    Nach und nach wird es heller. Der Wind hat sich zwar
    nicht vollkommen verkehrt, aber – ein ebenso verderb-
    licher Umstand für uns – er bläst aus Nordwesten und
    entfernt uns vom Land. Jetzt stehen nun 5 Fuß Was-
    ser über dem Deck, und die Linie der Schanzkleidung
    ist vollkommen verschwunden. Das Schiff sank in der
    Nacht noch tiefer ein, auch Vorderkastell und Oberdeck
    befinden sich jetzt auf gleichem Niveau mit dem Was-
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    ser, das ununterbrochen darüber hinströmt. Unter dem
    Wind arbeiteten Robert Kurtis und seine Leute an der
    Herstellung des Floßes, doch machen sie bei der beweg-
    ten See nur langsame Fortschritte, und es erforderte die
    größte Aufmerksamkeit, die Balken des Unterbaus sich
    nicht verschieben zu lassen, bevor sie unverrückbar fest
    verbunden wurden.
    Die Herren Letourneur stehen an meiner Seite; der
    Vater umschlingt mit den Armen den Sohn, den er bei
    dem heftigen Rollen des Schiffes zu halten sucht.
    »Dieser Mastkorb wird brechen!« ruft Mr. Letour-
    neur, der in der beschränkten Plattform, die uns trägt,
    ein Krachen vernommen hat.
    Miss Herbey erhebt sich bei diesen Worten und zeigt
    auf die neben ihr liegende Mrs. Kear.
    »Was sollen wir tun, meine Herren?« fragte sie.
    »Wir müssen bleiben, wo wir sind«, habe ich ihr ge-
    antwortet.
    »Hier ist noch unsere sicherste Zuflucht, Miss Her-
    bey«, fügt André Letourneur hinzu. »Fürchten Sie
    nichts, Miss . . .«
    »Oh, für mich fürchte ich auch nicht«, erwidert das
    junge Mädchen mit ruhiger Stimme, »aber für diejeni-
    gen, die Ursache haben, an ihrem Leben zu hängen!«
    Um 8 Uhr 15 ruft der Bootsmann seinen Leuten zu:
    »He! Ihr da auf dem Kastell!«

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    »Was wollen Sie, Meister«, antwortet einer der Matro-
    sen, ich glaube, O’Ready.
    »Habt Ihr die Jolle dort?«
    »Nein, Meister.«
    »Nun, dann ist sie also weggeschwemmt worden.«
    In der Tat hängt die Jolle nicht mehr am Bugspriet,
    fast gleichzeitig gewahrt man aber auch das Verschwun-
    densein Mr. Kears, Silas Huntlys und dreier Leute von
    der Mannschaft, eines Schotten und zweier Engländer.
    Jetzt wird mir der Gegenstand der gestrigen Unterhal-
    tung zwischen Kear und dem Ex-Kapitän klar. In der
    Befürchtung, daß die ›Chancellor‹ noch vor Fertigstel-
    lung des Floßes untergehen könne, sind sie übereinge-
    kommen, zu fliehen, und haben drei Matrosen durch
    Geld bestochen, sich des kleinen Boots zu bemächtigen.
    Auch über den schwarzen Punkt, den ich vergangene
    Nacht vorübergehend sah, geht mir nun ein Licht auf.
    Der Elende hat seine Frau im Stich gelassen! Der un-
    würdige Kapitän sein Schiff ! Sie haben uns die Jolle ge-
    stohlen, das einzige noch übriggebliebene Boot.
    »Fünf Gerettete!« sagt der Bootsmann.
    »Fünf Verlorene!« antwortet der alte Ire.
    Wirklich gibt der Zustand des Meeres O’Readys Wor-
    ten am meisten recht.
    Wir sind nur noch 22 an Bord. Wie weit wird sich
    diese Zahl noch vermindern?
    Bei Bekanntwerden jener feigen Flucht und des die-
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    bischen Schurkenstreichs macht sich die Stimmung der
    Mannschaft in einem Schwall von Flüchen über die
    Entflohenen Luft, und wenn der Zufall sie an Bord zu-
    rückführen sollte, würden sie ihren Verrat schwer zu
    büßen

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